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an den höchsten und edelsten Interessen der Menschheit eine erbliche Tugend und der Umgang mit Männern von seltener geistiger und wissenschaftlicher Bildung Bedürfniß. Daher schon so lange her ein Reichthum an Anstalten in dem kleinen Fürstenthume für Ermunterung und Ausbildung jeglichen Talents, wie ihn manche weit größere Staaten entbehren, und eben jene Anstalten in einer Vollkommenheit, daß sie für andere Länder noch jetzt als Muster dienen. – Das Gymnasium, weltberühmt, und immer von einer Menge Ausländer besucht, ist vielleicht das beste in Deutschland; das Institut zur Bildung von Volksschullehrern (das Seminar), auch ein Denkmal des hohen Geistes des großen Ernst’s, ist die Mutter und das Muster für alle gleichartigen Institute Europa’s gewesen; – die Sternwarte, dem Lande ein Geschenk von Ernst II., (er bestritt Bau und Fundirung derselben aus den Ersparnissen seiner Chatulle), macht durch die hier von Zach, Encke und Lindenau gemachten Entdeckungen in der Geschichte der Sternkunde Epoche; – in Salzmann’s nach 50jährigem Bestehen noch jugendlich blühender Erziehungsanstalt erhält die ächte Pädagogik, wie sie von Basedow ausging und von dem Stifter gleichzeitig mit Pestalozzi fortgebildet wurde, fortwährend die gesegnetste Anwendung; sie ist die älteste, berühmteste Deutschland’s, und einzig in ihrer Art; – die Feuer- und die Lebensversicherungsbank, beide die ersten auf dem Princip der Gegenseitigkeit ruhenden Institute in Deutschland und dem Gesammt-Vaterlande so wichtig und wohlthätig geworden, ehren den Mann, der sie gründete, (E. W. Arnoldi) und die Stadt, wo sie gedeihen und so groß werden konnten; – die Handelsschule, zur wissenschaftlichen und praktischen Bildung junger Kaufleute (auch sie nennt Arnoldi als ihren Gründer!) ist ein Muster ihrer Gattung; und Gewerbs-, Sonntags- und Freischulen, sammt der Anstalt für den Unterricht armer Mädchen in weiblichen Handarbeiten, die Carolinenschule, so wie noch manche andere vom Staate unabhängig bestehende Institute, sind eben so viel wohlthätige Bildungsmittel für die Einwohnerklassen, welche solcher gemeinlich ganz entbehren, als zugleich Ehrenzeugnisse von der humanen, erleuchteten, patriotischen Denkweise, welche die gebildeten und wohlhabenden Stände dieser Stadt durchdringt. – Für den Künstler und Gelehrten aber bieten sich Hülfsmittel in Fülle dar durch die der öffentlichen Benutzung hingegebenen berühmten Sammlungen im herzoglichen Schlosse – die Bibliothek von 100,000 Bänden – das Museum mit Gemälde-Gallerie (über 1000 Bilder, unter ihnen die Hauptwerke Lucas Cranach’s); naturhistorischen, physikalichen, Kunst- und Modellsammlungen etc. etc. – ferner: das Chinesische und das Münzkabinet, dieses eins der kostbarsten Europa’s.

Daß bei so regem geistigen Streben auch das industrielle hier bedeutend sey, kann man sich denken. Gotha’s Handel und Gewerbe blühen und werden theils durch große Fabrikanlagen, mehr aber noch durch den Luxus genährt,