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LVIII. Die Jungfrau.




Unter dem Namen der lepontinischen Alpen bedeckt ein großes Gebirge die westliche Schweiz, welches sich vom Monte Rosa, auf beiden Seiten der Rhone, durch das Walliserthal über den Sankt Gotthard bis zum Bernardino in Bündten hinstreckt und die Lombardei von Helvetien scheidet. Es ist die besuchteste aller Alpenketten und eben sowohl durch erhabene Naturschönheit, als dadurch merkwürdig, daß sich seinem Schooße mehre der größten Strome des Welttheils (der Inn, der Rhein, die Rhone) entwinden, welche verschiedenen Meeren zuströmen. Nahe bei ihren Quellen thürmt sich dieses Gebirge zu einer den Raum von 12 Quadratmeilen bedeckenden, ewigen Eis- und Schneewüste auf, aus denen die größten und höchsten Massen desselben – das Finsteraarhorn, (13,234 Fuß hoch), die Furka, (13,171 Fuß), das Schreckhorn, (12,562 Fuß), und die Jungfrau, (12,875 Fuß hoch), hervorragen. Das Innere dieser grausenhaften Wüste, wo nie ein Hauch des Lebens weht, hat noch kein menschlicher Fuß betreten. Auch die Jungfrau, von den schauerlichsten Gletschern umgürtet und mit an vielen Stellen mehre tausend Fuß hohen Felsenwänden umgeben, die lothrecht aus dem Thale emporsteigen, ist noch unerstiegen. –

Am herrlichsten zeigt sich dieser König der Berge von der Nordwand des Grindelwaldthals. Hier, von einer grasreichen, mit Sennen und weidenden Kühen bedeckten, Höhe, öffnet sich ein Gebirgspanorama von der größten Pracht. Die Jungfrau ist die Hauptfigur in demselben, und man überschaut sie von ihrem Fuße an bis zu ihrem breiten, über Alles erhabenen, krystallenen Scheitel mit den strahlenden Spitzen und Hörnern, Zacken und Mauern und allen Wundern der glänzendsten Eisformation.

Das Thal des Grindelwaldes selbst, welches in unbeschreiblicher Majestät die höchsten Berge Europa’s umgeben, von welchen sich schimmernd Gletscher bis in die grünen Matten herabsenken, ist ein kleines Paradies in einer großen Wüste. – Seine von der tosenden Lutschina durchströmten, immergrünen Matten sind mit freundlichen Wohnungen bedeckt, die Heerden geben die fetteste Milch, den herrlichsten Käse, und Weizen und viele Arten von Obst gedeihen in seltener Ueppigkeit. – Oft betten die köstlichsten Matten sich dicht an die Grenze des ewigen Schnee’s, wilde Erdbeere reifen, und Alpenröschen entfalten ihre Knospen am Rande der Gletscher. – Einen Begriff von dem Grasreichthum dieses wunderbaren Thals, kann man sich aus dem Umstand machen, daß seine