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schillernden See sich ausbreitet, in dem sich Trümmer von Vesten aus der Ritterzeit, welche die Höhen krönen und Ruinen von Villen der alten Weltbeherrscher malerisch spiegeln.




LVII. Der grosse Tempel
bei Tritschencore in Indien.




In keinem Lande der Erde, selbst Aegypten nicht ausgenommen, zeigen die Werke des Menschen das Gepräge seiner Halbgottnatur so sehr, als in Indien. Die erhabensten Denkmäler Griechenland’s und Rom’s erscheinen unbedeutend vor den colossalen Bauwerken Hindostan’s; jener Pracht vergeht vor der Herrlichkeit dieser. Die Geschichte gibt uns zwar in den Beschreibungen von Ninive und Babylon einige Begriffe von gleich erstaunenswürdigen Werken menschlicher Ausdauer und Kraft; aber es sind doch nur schwache, halb verwischte Umrisse, mehr der Einbildungskraft zum Spiel, als dem klaren Verstande faßlich. Jene gewaltigen Hauptstädte urgeschichtlicher Reiche sind von der Erde seit Jahrtausenden verschwunden; von ihren Wunderwerken der Baukunst blieb nichts übrig; Saturn hat längst sie als Staub in alle Winde gestreut; – nur hier, unter Indien’s Himmel, finden sich noch Werke, unzerdrückt von der Last der Jahrtausende, die die überschwenglichsten Vorstellungen von jenen verwirklichen.

Die Gegend von Tritschencore, im Innern von Carnatik auf der westlichen Halbinsel, ist besonders reich an solchen Monumenten. Auf allen Höhen prangen pyramidenähnliche Tempel und lagern Sphynxe, Elephanten, Stiere, des Brahmadienstes colossale Idole. Einen jener Tempel wählten wir zum Gegenstand unsers Stahlstichs. Er steht auf dem Scheitel eines steilen Hügels, etwa eine halbe Stunde westwärts von Tritschencore. Man steigt auf