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XLVIII. Der Giganten-Damm (The Giants’s causeway.)




Die Natur ist eine Welt von kämpfenden Kräften. Zerstören ist die Vorbedingung ihres Schaffens. Wie unter den Menschen, so spielt in ihr das Starke so lange, bis es Stärkerem begegnet, den Unterdrücker. Die gewaltigeren Kräfte wirken überall auflösend oder zertrümmernd auf die schwächeren ein. Bei jedem Schritte begegnen wir Zeugen ihres Kampfes. Ueberall Trümmer, überall Spuren der Zerstörung früherer Gebilde findend, stellt die ganze Erde gleichsam ein weites Schlachtfeld der Elemente dar.

Aus einer unbekannten Vorzeit, in welcher die mächtigen Kräfte, das Feuer und das Wasser, die Erdoberfläche neugestaltend, mit einander kriegten, stammt unsers Bildes Gegenstand: „der Damm der Giganten.“ Unter diesem Namen finden sich nämlich, an Irland’s Nordküste, westlich von Ballycastle und dem Vorgebirge Fairhead, in der Grafschaft Antrim, dicht am Meere, jene höchst merkwürdigen Basalt-Gebilde, auf deren Entstehungsweise undurchdringliches Dunkel ruht. Welchem Elemente auch scharfsinnige Forscher die Hauptrolle bei der Erzeugung jener regelrechten gigantischen Säulenmassen zugetheilt haben mögen, ob dem Wasser, aus dessen flüssigen Massen sich die erkalteten Niederschläge in Krystallformen gebildet, ob dem Feuer, welches einst die Basaltstoffe in ungeheurer Werkstätte geschmolzen habe und woraus bei’m Erkalten jene Säulen krystallinisch entstanden seyen – immerhin bleiben sie ein wunderbares, geheimnißvolles Erzeugniß. Soviel läßt sich mit ziemlicher Gewißheit annehmen, daß vulkanische Mitwirkung bei ihrer Bildung thätig gewesen ist. Aber welch ein Kampf der Kräfte, der diese meilenlangen, tausendfachen Säulenreihen an der irländischen Küste und gegenüber auf der Insel Staffa die Pfeiler und Säulen zur Fingal’s-Höhle aus der Tiefe des Meeres gehoben hat? Ein Ossian, ein Dante mögen es versuchen, ihn zu denken! –

Die schönste hier abgebildete Parthie des Damms der Giganten ist über 200 Fuß lang und 100 bis 180 Fuß breit; aber 500 Fuß weit in’s Meer laufen noch die über dem Wasser hervorragenden Säulen, und wenn Windstille zur Ebbezeit einen Blick in den Meeresgrund gestattet, sieht man noch viel weiter von der Küste die