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Armee, ersteres für die Marine: beide grandios in Bauart und Einrichtung, Britanniens würdig. Gegen diese und so manche Privatwohnungen erscheinen die Schlösser des Monarchen unbedeutend – selbst das neue in St. James Park – (1830 von Georg IV. erbaut) ist für seine Umgebungen von zu kleinlichen Verhältnissen. An der Spitze der öffentlichen Unterrichtsanstalten steht die Universität, in einem herrlichen Palaste, 1831 auf Lord Brougham’s Antrieb durch Subskription gegründet und jetzt von 3200 Studirenden besucht. – Außer 900 öffentlichen Schulen zählt man über 4600 Privatinstitute. Unzählige Vereine befördern die Verbreitung der Kenntnisse unter den niedrigen Klassen durch unentgeltliche Cirkulation von Büchern, Vorlesungen, Sonntags- und Freischulen. – Erleichterungsmittel für höhere Bildung in Kunst und Wissen gewähren 9 Museen, (voran das Brittische, mit den reichsten Bücher-, naturhistorischen und Kunstsammlungen der Welt) Gallerien für Gemälde und Alterthümer, (die National-Gallerie, deren neues Lokal das größte und imposanteste Gebäude Londons werden wird), endlich mehre Akademieen (voran die Royal im prachtvollen Sommersethouse), viele gelehrte Gesellschaften und Collegien. – Von der Größe des geistigen Verkehrs kann man sich einen Begriff machen, wenn man weiß, daß es hier über 1100 Buchhandlungen gibt (mehr wie in ganz Deutschland, Ungarn, Schweden, Rußland, Dänemark zusammengenommen), welche jährlich für 25 Millionen Gulden Bücher verkaufen. Der eigentliche Verlagshandel ruht in wenigen Händen; er beschäftigt über 200 Buchdruckereien, darunter eine mit 17 Druckmaschinen, welche allein mehr hervorbringt als die Leipziger mit einander. In 9000 Kaffee-, Gast- und Branntweinhäusern und 6000 Bierschenken treiben sich stets über 100,000 Menschen umher. Für Unterhaltung edlerer Art sorgen 16 Theater (Drury-Lane, Coventgarden, Haymarket etc. für das Drama; das Opernhaus für das Singspiel); ferner das Colosseum, die Gärten der zoologischen- und Gartenbau-Gesellschaft; die Säle der Musik- und Konzertvereine; Dioramen, Panoramen und unzählige Ausstellungen von Sehenswürdigkeiten aller Art. – Der Handel ist unermeßlich. Er beschäftigt ein Kapital von 26,000 Millionen Gulden, 12–15,000 Frachtwägen, 5000 eigene mit 60,000 Matrosen bemannte und an 3000 fremde Schiffe. Der Gesammtwerth der Ein- und Ausfuhr London’s übersteigt jährlich an 2000 Millionen Gulden; über 11,000 Schiffe kommen alljährlich in seinen Häfen an und segeln nach allen Küsten des Erdrunds; 11 bis 1300 Seeschiffe sind stets im Ein- und Ausladen begriffen, und 12,000 Bote und Leichter mit 20,000 Ruderern und 8000 Zollbeamten sind in den Häfen und auf dem Flusse in steter Bewegung. Täglich gehen 1100 Eilposten nach allen Richtungen des Reichs ab; und 140 Dampfschiffe fahren theils in die Häfen des Landes, theils nach denen des Continents. Das Zollhaus wird täglich von 12–15,000 Menschen besucht; die große Börse von 8 bis 10,000 Kaufleuten aus allen Völkern und Ländern. In der Bank, in welcher 1200 Commis arbeiten, machen alle Tage 20,000, in Lloyd’s[WS 1] Kaffeehaus 6000 Leute ihre Geschäfte ab. Die daselbst jährlich geschlossenen Versicherungen repräsentiren ein Kapital von 5000 Millionen Gulden. – Auch die Fabriken sind unermeßlich und die Londoner Fabrikate genießen in Betreff der Solidität und Güte allgemein den Vorzug vor allen andern. Besonders berühmt sind die in Seide, Stahl und Glas, die Wagner- und Sattlerarbeiten und alle Artikel des höhern Luxus. Die Seidenmanufaktur allein gibt über 60,000 Menschen unmittelbar Beschäftigung. – Aber wenn wir alles Bemerkenswerthe auch nur andeutungsweise anführen wollten, so würden wir den für diesen Artikel bestimmten Raum vervierfachen müssen. Sey es denn mit dieser Skizze genug!

Unsere Ansicht ist von der Waterloobrücke; es ist eine der schönsten, die das Innere der Weltstadt bietet.




Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: Lloy’s