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wechselnden Hirten und diese werden von der auswärtigen Diplomatie, Unmündigen gleich, am Gängelbande geleitet. – Selbst Italien bietet kein Beispiel tieferer Entwürdigung, größerer Entartung von Volk und Staat.

Kehren wir jedoch von dieser allgemeinen Betrachtung zurück zu unserm Bilde. – Almada, auf hohem Felsen, Lissabon gegenüber, ist eine Festung, welche die Hauptstadt von dieser Seite des Tajo beschützt. Der Strom, von der Rechten herkommend, ist hier ¾ Stunden breit und wälzt sich gegen die Linke hin in’s Meer. Unterhalb der Stadt gewinnt er die Breite von 1½ Meile und oberhalb erweitert er sich zu einem See, der romantische Ufer zur Einfassung hat. Nach der Mündung zu beschützen ihn mehrere Forts, St. Juliao, Torre di Bugio, St. Sebastiao; am Ende der Stadt aber das alte maurische Castell Belem. – Nur der Haupttheil Lissabon’s, der auf den 3 Anhöhen, ist im Bilde sichtbar. Auf dem Hügel links liegt das prachtvolle Kloster von Penha de França; die Spitze des zweiten bedeckt die Kirche von Nossa Senhora de Monte; vom Rücken des äußersten rechten Hügels schimmern die Thürme von St. Vinzente, der prächtigen Basilika, in welchem die Leiber der lusitanischen Könige ruhen. Etwas weiter unten, in derselben Richtung, sind die 2 Thürme der Cathedrale kenntlich; noch tiefer, an der äußersten Spitze, die Gebäude, welche den großen Commerzplatz umgeben, den schönsten Lissabon’s, geziert durch die prachtvolle Börse, das Zollhaus und das Arsenal. Unter den 350 Kirchen und 50 Klöstern (letztere zum Theil magnifik von stadtgroßem Umfange), zeichnet sich die uralte Patriarchalkirche, die mit verschwenderischer Pracht, aber geschmacklos, gebaut ist und unermeßliche Schätze an Kunstgegenständen, Reliquien und Kostbarkeiten bei einem königlichen Einkommen von 700,000 Thalern besitzt und die weniger große, aber weit schönere sogenannte neue Kirche, aus. – Palläste gibt es wenige und diese sind mehr wegen ihres großen Umfangs, als um ihres Styls bemerkenswerth. – Lissabon’s Lage ist nach allen Seiten hin offen, die meisten Straßen der Stadt sind uneben, ungerade, oft mit Gärten und Weinbergen unterbrochen; die Häuser sind hoch und haben ein finsteres, ungefälliges, oft verfallenes, keinesweges eine Königsstadt andeutendes Ansehen. Die ansehnlichsten Straßen laufen am Tajo hin. Hier wohnen die fremden Kaufleute; sie bilden den Mittelpunkt des Verkehrs. – Der schönste Stadttheil ist O Meja, derjenige, welcher nach dem Erdbeben vom 1. Nov. 1755 auf den Trümmern von 16,000 Häusern, welche 30,000 Menschen erschlugen, neu gebaut wurde. Er hat gerade und regelmäßige Straßen, meistens schöne, nicht zu hohe Häuser und große Plätze, unter denen sich der genannte Commerzplatz (auf welchem ebenfalls der, durch das Erdbeben eingestürzte, königliche Pallast stand) und der berüchtigte Roccio auszeichnet. Dieser, ein 1800 Fuß langes und 1400 Fuß breites Viereck, war der Ort, auf dem die Jesuiten durch die sogenannte heilige Inquisition vor dem verblendeten, dummen Volke jene gräßlichen Schauspiele aufführten,