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XLVII. Lissabon.




Prächtig ist der Anblick von Neapel, Genua, Venedig; reizend und malerisch der von Stockholm und Messina; erhaben und kolossal der von Constantinopel: aber weder an Größe noch an Schönheit übertreffen sie den von Portugal’s Hauptstadt, dem Thore Europa’s. Von Almada’s Felsenbastei (dem günstigsten Standtpunkte für die Betrachtung Lissabon’s), schweift der Blick über den mäjestätisch wie ein Meer sich zwischen hohen Borden fortwälzenden Tajo, und jenseits, auf 3 Hügeln, von denen unzählige Häuserreihen nach allen Richtungen bis an’s Ufer und weit in die benachbarten Niederungen sich hinranken, thront, in malerischer Gruppirung, die Königsstadt. Sieben bis achttausend, zum Theil prächtige, Sommerwohnungen (Quinta’s), Schlösser, Kapellen und Klöster bedecken in einer Entfernung von mehreren Meilen und so weit das Auge reicht, die romantischen Ufer des Stromes, die Hügel, wie die Thäler, und die üppigste Vegetation in lachenden Gärten, in Weinpflanzungen, Oliven- und Orangenhainen, hilft, vereint mit dem tiefen reinen Blau des südlichen Himmels, ein Panorama vollenden, das den Beschauer mit Entzücken und Bewunderung erfüllt.

Glücklich der, der in diesem herrlichen Anblick ungestört schwelgen kann. Wem aber Harmonie in Wesen und Form, im Innern und im Aeußern allein reinen, dauernden Seelengenuß gibt, – ihm, dem denkenden Beschauer, dem wird bald in all dieser Herrlichkeit ein Gefühl der Trauer und des Wehes ergreifen! – Wie er in dem prachtvollen Riesenpanorama von Constantinopel, in den tausend Minarets der Moscheen und in den goldenen Kuppeln des Serails und der Kiosk’s an des Bosphorus lachenden Ufern, nur Maalzeichen sieht einer untergegangenen schöneren menschlichen