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durch mannichfache Ueberbleibsel römischer Bauwerke angeregt – unter denen sich die eines Amphitheaters, einer Piscina (des sogenannten Labyrinths), mehrer Thermen und die malerischen Trümmer vieler Grabmäler auszeichnen – Alles Wahrzeichen der Größe und Pracht der alten Römerstadt. Die jetzige – von weit geringerer Ausdehnung – liegt auf einer Landzunge. Durch Erdbeben mehrmals verheert hat sie kaum noch 14,500 Einwohner, die sich meistens von der Fischerei ernähren. Ihr merkwürdigstes Gebäude ist der Dom, einst ein dem August geweihter Tempel, von dessen Stufen Paulus dem Volke das Christenthum predigte. Von einer colossalen Reiterstatue des Tiberius, in der Mitte des Marktes, steht nur noch das mit Skulpturen bedeckte Piedestal. Anziehender als beide Monumente sind aber die imposanten Trümmer eines Marmor-Tempels des Jupiter Serapis, dessen herrliche Säulen hoch über ein Chaos von Ruinen hinweg schauen. Die sogenannte Brücke des Caligula ist ein ungeheurer, unter der Herrschaft dieses Kaisers errichteter Molo (Steindamm), der den Hafen von Puteoli gegen die Macht von Wind und Wellen schützte; er liegt in Trümmern. – In der Nähe Puzzuoli’s besuchen wir noch den MONTE BARBARO (einst der MONS GAURUS), berühmt wegen seiner Reben, mit den Villen römischer Großen überdeckt, Cicero’s Lieblingsaufenthalt, seit dem großen Erdbeben (1538) öde und unfruchtbar. – Nahe bei ihm erhebt sich der MONTE NUOVO, bei jenem schrecklichen Ereigniß an der Stelle entstanden, wo die Erde den volkreichen Flecken Tripergole verschlungen. Der Lukriner See, an seinem Fuße, einst berühmt wegen seiner Austern, ist, durch Erdbeben verschüttet, nur noch ein Teich. Von ihm gelangt man, durch die Höhle der Cumanischen Sibylle, an den LAGO AVERNO, ein rundes Wasserbecken von unermeßlicher Tiefe mit sehr hohen und steilen, dicht bewaldeten Ufern, deren schwarze Schatten ihm ein finsteres, schauerliches Ansehen geben. Die Poesie der Alten benutzte dieses Grauen. Virgil läßt seinen Aeneas hier die Pforte zu dem Schattenreiche und in des Waldes Dunkel, an seinem Ufer, den goldenen Zweig finden, welchen ihm die Sibylle angedeutet hatte und auf dessen Vorzeigung ihn Charon über den Styx fuhr. Verfolgt man den Weg längs dem Meerbusen noch eine Stunde weiter, so gelangt man, den auf beiden Seiten zerstreuten Trümmern von Grabmälern, Tempeln, Theater und Thermen vorbei, an die Stelle, wo das bei den Römern so hoch gepriesene Baja stand. Noch zeugen von seiner Pracht die Ruinen der berühmten Bäder und Substruktionen von einer Größe, wie man sie nur in der Weltstadt selbst so wiederfindet. An das Ufer des kleinen See’s, den ein schmaler Damm vom Meere trennt, versetzten die Alten die elysäischen Felder. In der Nähe sind das Grabmal des Scipio Africanus und die Ruinen von Cumae sehenswerth. Den Rückweg nimmt man gemeinlich zu Wasser nach einem Besuche der lieblichen Eilande Procida und Ischia. –

Auf der Ostseite Neapel’s führt eine prachtvolle Straße am Meere hin nach Herkulaneum und Pompeji und nach dem Vesuv. Den Wundern jener nach Jahrtausenden ihrem Lava- und Aschengrabe erstandenen