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sind, wegen ihrer Malereien und Skulpturen, St. Filippo Neri und San Apostoli; und wegen der ihr eingebauten Ueberreste eines antiken Tempels des Castor und Pollux, die Kirche St. Paolo Maggiore. – Unter den Pallästen zeichnet sich das königliche Schloß durch Größe und ziemlich edeln Styl aus; es ziert den schönsten Platz Neapel’s. Das Museum ist als Gebäude nicht von Bedeutung; aber weltberühmt machen es die daselbst verwahrten Schätze der alten Kunst, meistens die Frucht der Ausgrabungen in der Nähe. – Unter den Skulpturen, die den untern Raum einnehmen, nennen wir bloß den farnesischen Herkules, die berühmte Venus und die farnesische Flora. Die antike Vasensammlung im zweiten Stock ist jetzt die reichste unter allen ähnlichen. – An höheren Bildungsanstalten zum Theil in prachtvollen Gebäuden, (Universität; Medizinisches Collegium; Seminar; Marine- und Militairschule; Akademien für Kunst, für Ackerbau, für Gewerbe; Anatomisches Theater; Observatorium etc.) fehlt es hier nicht; aber ihre Wirksamkeit für Leben und Wissenschaft ist vergleichsweise sehr gering. Die Grundlage für das Gedeihen solcher Anstalten ist guter Volksunterricht; – aber hier, wo Unwissenheit dem religiösen und weltlichen Despotismus noch ein Schild ist, kann von jenem keine Rede seyn. Doch nicht für Kunst, nicht für Gelehrsamkeit, nicht für Aufklärung und Volksbildung soll Neapel ein Wohnsitz seyn; – Lust und Lebensgenuß ist’s, was man hier suchen muß, und was hier Jeder im reichsten Maaße zu erlangen strebt. Für das müßige Volk – und daraus besteht die große Mehrzahl – fehlt es nie an Kurzweil; Polizinellen, Musik, Improvisatori etc., gibt’s hier auf allen Straßen und Plätzen; öffentliche Aufzüge und Belustigungen an jedem Festtage. 60 wohlthätige Anstalten und über hundert Almosen und Speise spendende Klöster lassen es dem Müßiggange nie an den Mitteln zur bequemsten Fristung des Lebens fehlen, während bei der Wohlfeilheit der Lebensmittel überhaupt gegen den geringsten Erwerb sich Ueberfluß beut. Für die Entfernung des Ennui der wohlhabenden und gebildeten Stände sorgt die Gewohnheit des täglichen Kirchgehens und Promenadefahrens, die Häufigkeit der Conzerte, (Neapel war immer die Pflanzschule ausgezeichneter Componisten), und 4 Theater, das Nuovo, de Fiorentini, San Carlino und das 1816 neu aufgebaute San Carlo, eines der größten und prachtvollsten der Welt. – Manufakturen und Fabriken gibt es wenig. Sie können an einem Orte, wo Arbeitsscheu Charakterzug ist, nur unbedeutend seyn und müssen sich auf die unentbehrlichsten beschränken. Und selbst diese sind fast ohne Ausnahme in den Händen von Fremden und deren Arbeiter sind Ausländer! Mit den meisten Handwerkern ist’s eben so; die tüchtigsten sind Einwanderer, die hier ihr Glück suchen und oft auch machen. – Das nämliche Verhältniß gilt vom Handel. Engländer sind die größten und thätigsten Kaufleute, und der Verkehr Neapel’s, das vermöge seiner Lage das Emporium aller Waaren, welche die Staaten des Mittelländischen Meeres mit einander tauschen, seyn könnte, beschränkt sich auf den Verbrauch des Platzes und der Ausfuhr von Produkten der Umgegend, besonders Oel, Mandeln und Südfrüchten. – Unter den Handelsanstalten sind die Börse und die Bank die bemerkenswerthesten; letztere jedoch mehr der Regierung, als dem Volke dienend. – Der Charakter des Volks hat die