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hin auf Jahre hinaus abgesteckt sind, entstehen wie durch Zauber. – Keine Stadt in der Welt stellt ein ähnliches Beispiel solchen Gedeihens auf. Man erwäge, vor funfzig Jahren hatte New-York erst 20,000 Einwohner.

Der älteste Stadttheil ist, obschon auch regelmäßig, doch keineswegs schön. Kleine, beräucherte Backsteinhäuser ohne Bewurf, deren Einförmigkeit nur zuweilen große, öffentliche Prachtbauten unterbrechen, geben ihm ein unfreundliches Ansehen. Dagegen sind die weit umfangreicheren neuen Stadttheile, besonders da, wo viele Privatwohnungen palastähnlich in eins zusammengebaut sind, schön und mehre äußerst prachtvoll. – Die Hauptstraßen, in einer Länge von ½ bis 1¼ Stunde schnurgerade fortlaufend, sind 80 bis 100 Fuß breit; alle sind auf beiden Seiten mit äußerst reinlich erhaltenen erhöheten Trottoirs für Fußgänger versehen, die mit großen Granit- und Marmorplatten belegt sind. Das prächtige Gaslicht erleuchtet nicht nur alle Häuser, Läden, Straßen und Plätze, sondern auch die nächsten Umgebungen der Stadt. – Unter den vielen öffentlichen Gebäuden ist Föderal-Hall das merkwürdigste. Hier beschwor Washington an der Spitze des Congresses den 30. April 1780 die Nordamerikanische Verfassung. Das Rathhaus (City-Hall), 1812 aus weißem Marmor erbaut, übertrifft Königspaläste an Pracht; es wird für das schönste Gebäude der Union gehalten. Die Börse ist der größten Handelsstadt der neuen Welt würdig; die Universität (Columbia-College), die Maurerloge (Masonic-Hall), mehre Banken imponiren durch Größe und Styl; unter den 126 Tempeln, christliche und andere, in denen der einzige Gott nach 30 verschiedenen Lehrweisen verehrt wird, sind St. Paul und Trinity-Church Gebäude von großer Schönheit. – Gewerbe und Handel sind unermeßlich; dieser alle Geschäftszweige umfassend. Kein Platz in der Welt, London allein ausgenommen, übertrifft New-York in Ausdehnung des Verkehrs. Die Zahl der jährlich seewärts einlaufenden größeren Schiffe übersteigt 2000; die der Küstenfahrzeuge und Canalboote das Fünffache. – Vierzehn Millionen Dollars beträgt blos der Export der Fabriken.

So außerordentliches Gedeihen wäre ein minderes Wunder, beschränkte es sich einzig auf die Hauptstadt; aber das des Staats ist nicht geringer. Halb so groß wie Preußen, hatte New-York 1800 kaum eine halbe Million Einwohner, jetzt zwei. Das Gesammtvermögen der Staatsbürger wurde vor 20 Jahren auf 450 Million Dollars geschätzt; es hat sich seitdem mehr als verfünffacht. Der Handel ist auf das Fünfzehnfache gestiegen in derselben Zeit. Aber auch in keinem Lande in der Welt sind die Anstalten für Verbreitung von Aufklärung und Wissen unter dem Volke so zahlreich und mit solcher Munifizenz ausgestattet. Der Elementarschulen allein sind über 10,000 und sie werden von 500,000 Schülern besucht. Sie haben 1¼ Million Dollars jährliche Einkünfte. Gewerbschulen sind in jeder Landstadt und keine größere entbehrt die Mittel zur Erlangung jeder Art höherer wissenschaftlichen Bildung. Gleich bewundernswürdig sind die Anstalten, welche den Verkehr erleichtern – die Eisenbahnen, Canäle. Sie