Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band | |
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Salamis, der den Perserkönig mit solchem Entsetzen erfüllte, daß er Griechenland mit dem größten Theil seiner Macht eiligst verließ, seinen Feldherrn Mardonius mit 200,000 Mann im Lande, zu dessen Verwüstung beauftragt, zurücklassend. Die Vernichtungsschlacht bei Platäa befreiete bald darauf Athen und Griechenland auch von dieser Gefahr und gab ihnen die ganze Beute der Perser zurück, zugleich Schätze in Menge und unermeßliches Heergeräth.
Jetzt veränderte sich der Charakter des Krieges. Es war nicht länger ein Vertheidigungskrieg für die Griechen; er wurde nun ein Angriffs- und Rachekrieg. Auch in diesem war Athen die Seele und spielte es die Hauptrolle. Befreiung aller griechischen Colonien in Kleinasien von persischer Herrschaft, Vertreibung der Perser von allen Inseln des mittelländischen Meeres, gänzliche Vernichtung ihrer Seemacht, Unfähigmachen derselben für immer zu künftigen Angriffen auf Griechenland, war der Zweck des kleinen Freistaatenbundes und er wurde unter der Anführung der Athenienser Aristides und Cimon glorreich errungen. Der Friede, den letztgenannter Feldherr mit Artaxerxes Longimanus, der Sohn jenes Xerxes, welcher ganz Hellas Fesseln zugedacht, schloß, sicherte allen im Umfange seines großen Reichs gelegenen griechischen Colonien völlige Freiheit und Unabhängigkeit zu; kein persisches Kriegsschiff sollte mehr in den griechischen Gewässern erscheinen, kein persischer Heerhaufe sich auf drei Tagereisen den Ionischen Küsten nahen. So endete nach 50jähriger Dauer ein Krieg, für die Hellenen der gefahr- und ruhmvollste, der je zwischen Volk und Volk auf Erden gekämpft worden.
Den Athenern, als es Todesgefahren zu bestehen und Alles aufzuopfern galt, stets die Vordersten in diesem Kriege, wurde auch der reichste Antheil an seinen Früchten. Die unermeßliche Perserbeute machte sie reich, und bald stieg die Stadt der Minerva wieder weit schöner, größer, prächtiger aus ihrem Schutte hervor, als sie früher gewesen. Athens schönste Blüthenzeit hatte begonnen. Die reichen Bürger, mit der Kraft und dem Selbstgefühl der Helden, strebten jetzt nach höhern Dingen. Themistokles, der Sieger von Salamis, im Bürgerrathe der Erste, wie er es im Kriege gewesen, vereinigte den dritten Hafen Phalerus mit Athen und führte die von den Persern niedergestürzten Mauern, welche die Stadt mit jenen in Verbindung setzten, von so ungeheurer Stärke neu auf, daß die Trümmer noch nach Jahrtausenden als Cyklopenwerke erscheinen. Zwei Wagen konnten sich auf ihrer Stirne ausweichen, so breit waren sie. Der Handel, die Seemacht Athens erreichten eine kaum glaubliche Größe. Mit jenem in gleichem Verhältniß wuchs die Stadt, die Zahl ihrer Einwohner. Alle Länder des mittelländischen und schwarzen Meeres, an deren Küsten sie, oder ihre Verbündeten, die Herren spielten, ergossen die Schätze des Verkehrs in die Hauptstadt Attikas, jetzt, neben Tyrus und Carthago, der größte Stapelplatz der damals bekannten Erde. Tempel, Amphitheater, Rennbahnen, die herrlichsten Gebäude für öffentlichen Unterricht, erhoben sich mit unübertroffenem Geschmack und gleich unübertroffener Pracht in allen Theilen der Stadt. Die Küste rings umher war mit Gebäuden bedeckt, deren Glanz mit denen der Stadt wetteiferte. Die Akropolis wurde unter dem Primat des Perikles eine
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1833, Seite 89. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_1._Band_1._Auflage_1833.djvu/99&oldid=- (Version vom 8.6.2024)