Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band | |
|
lang war die Stadt auf den Umfang des Felsens eingeschränkt, der die Ebene überragt; später überbaute man diese und von jener Zeit an unterschied man die Akro- und Katopolis als obere und untere Stadt. Als Athen an Einwohnerzahl, an Macht und Größe immer mehr zunahm, wurden (es liegt vier Stunden vom Meere) durch ungeheure Mauern die Häfen Piräus, Munychia und Phalerus mit ihm vereinigt.
Die Geschichte Athens zerfällt in drei Hauptperioden. Die erste reicht von den ältesten Zeiten bis zum Perserkriege. – 300 Jahre lang nach seiner Erbauung, unter des Cekrops Nachfolgern, unumschränkten Königen gehorchend, erhielt es durch Theseus die Grundlage seiner nachherigen republikanischen Verfassung. Gleichwohl hießen die Regenten des Staats noch eine Zeitlang Könige, bis nach des tugendhaften Codrus Aufopferung (1070 vor Christo) die Königswürde, der nach ihm keiner sich werth glaubte, abgeschafft und die Regierung dem Wahl-Rathe der Archonten anvertraut wurde. Innere Zwistigkeiten, Ursache der Bedrückungen der Geldaristokraten, brachten Athen an den Rand des Verderbens; neu geboren und kräftig erhob es aus dieser gefährlichen Lage sein Bürger Solon, dessen Name unter den Edelsten und Weisesten aller Zeiten glänzt. Er gab den Atheniensern die freieste Verfassung und Gesetze (um 590 v. Chr.) welche, die reinste Humanität athmend, das Glück seiner Mitbürger auf späte Zeiten begründeten und deren bildender Geist auch dann noch segnend fortwirkte, als der Einfluß der Zeit und die Stürme des Kriegs die Formen seiner Verfassung längst zerschlagen hatten. – Noch zu Solon’s Lebzeiten warf sich zwar Pisistratus, der Häuptling einer der durch den Weisen versöhnten Bürgerparteien zum Alleinherrscher auf; aber klug achtete er die republikanischen Formen und Gesetze, und schon unter der Regierung seiner Söhne, von denen der eine erschlagen wurde, der andere, vertrieben, zum Perserkönige Darius floh, gelangten die Athenienser wieder zum Genuß der vollen Freiheit. – Athen erhob sich zur ersten Stadt in Attika. Künste und Wissenschaften blüheten auf, der Handel bereicherte seine Einwohner und vermehrte seine Macht. Es baute Flotten und durch seine Colonieen und Faktoreien an den Küsten des mittelländischen Meeres legte es die Keime der griechischen Kultur im ganzen Abendlande.
Aber jetzt erhob sich im Osten ein Kriegswetter, welches Athen, das Griechenvolk und seine Kultur zu vertilgen drohte. – Das größte damalige Reich der Erde, vom unumschränkten Willen eines Einzigen bewegt, stand in Waffen, um eine Schmach zu rächen, welche ihm republikanischer Uebermuth der Athener zugefügt hatte. Diese hatten einen Aufstand der griechischen, persischer Botmäßigkeit unterworfenen Pflanzstädte in Kleinasien unterstützt, die Boten Persiens, welche Genugthuung forderten, beschimpft und verhöhnt; eine neue Gesandtschaft, welche dem Völklein als Buße Unterwerfung befahl und von ihm, als Zeichen derselben, Erde und Wasser forderte, in stolzem, gräßlichen Hohne, ersäufen und lebendig begraben lassen. Darius Hystaspes entsendete seine Myriaden über
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1833, Seite 86. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_1._Band_1._Auflage_1833.djvu/96&oldid=- (Version vom 8.6.2024)