Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band | |
|
Anstrengung und Wagniß anspornenden Einfluß republikanischer Institutionen, schwang sich die Stadt zu einer großen politischen Macht empor, und zahllos sind die Heldenthaten, wozu die Freiheit ihre Bürger, die Gesammtheit wie die Einzelnen, begeisterte, durch welche sich ihre Geschichte so sehr verherrlicht. An dem langen Kampfe der Guelfen und Ghibellinen, welcher die Freistaaten Italiens zerfleischte, nahm auch das kriegerische Florenz den lebhaftesten Antheil; ja oft waren seine Marktplätze und Straßen den streitenden, unversöhnlichen Partheien das blutgetränkte Schlachtfeld. Aber nicht innere noch äußere Kriege waren vermögend es zu entkräftigen, und an der Hand der Freiheit schritt es Jahrhunderte lang unausgesetzt weiter auf der Bahn des Ruhms, des Reichthums und der politischen Größe. Der Unternehmungsgeist seiner Einwohner baute Häfen und Schiffswerfte am entlegenen Gestade, ihre Handelsgeschwader beschifften alle damals bekannten Küsten und Meere und beuteten friedlich erworbene Schätze aus den fernsten Ländern. Die Kriegsflotte des kleinen Staats war gefürchtet; sie schlug häufige Schlachten, oft siegreich, gegen das neidische zur See herrschende Pisa und gegen Venedig. Seine Kaufleute waren reicher als Fürsten und stolz wie Könige; Florenz beschickte mit seinen Gesandten alle europäischen Höfe, und auf die Beschlüsse der mächtigsten Herrscher blieb der Rath der kleinen Republik selten ohne Einfluß – nie ohne Gehör. – Zu Anfang des 15. Jahrhunderts zählte Florenz achtzigtausend Bürger mit Wehr und Waffen und die Gesammtzahl seiner Einwohner überstieg 400,000.
Dies war der Gipfel seiner Größe. Die Entdeckung von Amerika, die Auffindung des Weges um Afrika nach Ostindien, dieselben Ursachen, welche Venedig, Pisa, Genua die Quelle ihres Reichthums und ihrer Macht, – den Welthandel – entzogen, brachen auch die des stolzen Florenz. Die überreichen Kaufleute, welche bald keine Befriedigung ihrer Thätigkeit, keine Anwendung ihrer Kapitale mehr auf dem gewohnten Handelspfade fanden, suchten nun Sättigung ihres Ehrgeizes durch Erhebung über ihre Mitbürger, ihr Reichthum und ihre Schätze aber wendeten sich mit Prachtliebe und Geschmack der Kunst und der Wissenschaft zu. Die Massen der Bürger, sie wurden in eben dem Grade abhängiger, als die Quellen ihres Erwerbs im Auslande versiegten und sie wegen Arbeit und Verdienst nur auf reichere Mitbürger hingewiesen waren. Aus diesen, die Florentinische Bürgeroligarchie bildenden, sich einander oft in blutigen Kämpfen entgegenstehenden Geschlechtern, erhob sich endlich das Haus der Mediceer unter dem staatsklugen, durch seine Liebe für Wissenschaft und Kunst eben so, wie durch unermeßlichen Reichthum ausgezeichneten Cosmo zur einflußreichsten, und durch den seines großen Vaters würdigen Lorenzo, nach dem Sturze des rivalisirenden Hauses Pazzi, zur herrschenden Familie. Unter der Regierung seiner Nachfolger ging denn auch bald die Scheinfreiheit (für ein halbes Jahrhundert länger bestanden die republikanischen Formen) der Florentiner unter, und Pabst Clemens VII. ernannte 1531 Allessandro von Medicis, seinen natürlichen
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1833, Seite 77. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_1._Band_1._Auflage_1833.djvu/87&oldid=- (Version vom 7.6.2024)