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meisten dieser Prachtgebäude der Vorzeit für Unterricht und Gottesverehrung sind mit einem Aufwand errichtet, der alle Bestrebungen der Gegenwart, es jener in ihren Bauwerken nachzuthun, geradezu höhnt. –

In diesem alten Musensitze Albions, der 24 verschiedene Kollegien (COLLEGES) zählt, in denen 6000 Studenten von 800 Professoren in allen Fächern des Wissens Belehrung erhalten, – Lehranstalten, von denen jede einzelne ihre besondere Kirche hat, ihre Bibliothek, Handschriftensammlung, Gemäldegallerie, Museen aller Art, anatomisches Theater etc. und oft mehr, weit mehr Schätze der Kunst und Literatur und Anstalten für deren Förderung aufweisen kann, als eine ganze deutsche Universität, wollen wir jetzt das Merkwürdigste betrachten.

Das große Gebäude, welches, mit dem massiven, hohen Thurm an seinem Ende, in der Mitte unseres Bildes, die Häusermassen überragt, ist Christchurch College, an Umfang das größte unter den Universitätsgebäuden. Es wurde von Christoph Wren, dem berühmtesten Architekten Englands, dem Erbauer der Londoner Paulskirche, im 17. Jahrhundert größtentheils neu aufgeführt. Nur ein Theil ist noch der uralte Bau, – und dieser das merkwürdigste Ueberbleibsel altsächsischer Bauart aus dem achten Jahrhundert. In diesem, in einer Kapelle, ist der berühmte Schrein der heiligen Frisdawida, ein überaus prächtiges sächsisches Grabmal, jetzt über 1200 Jahr alt, befindlich. Die Bibliothek enthält 100,000 Bände. – Das kirchenähnliche Gebäude rechts ist Wolsey’s Hall, im grandiosesten Styl, unter Cardinal Wolsey’s Ministerium errichtet. Reich ist in diesem Collegium besonders das Museum. Hinter ihm erhebt sich der Thurm der im 13. Jahrhundert erbauten Cathedrale. Der kleinere rechts ist der von Merton College, gleichfalls ein Denkmal aus dem dreizehnten Jahrhundert. Der erste Thurm links von Christchurch College gehört der Marienkirche an; er ist im reichsten gothischen Styl erbaut und ganz überladen mit Ornamenten. Der nächste ist der Glockenthurm von Sankt Aldatus; dicht daran, der majestätische Dom dort, das Radcliffsche Bibliothekgebäude, die bewundernswürdige Schöpfung eines patriotischen Bürgers, dessen Namen sie trägt. Des Gebäudes Innere ist eine einfach, aber grandios verzierte Rotunda von 350 Fuß Umfang und 65 Fuß Höhe, abgetheilt in drei Etagen, mit einer nobelen Kuppel und zwei Reihen offener Gallerien über einander. Aus diesen laufen rund umher strahlenförmige Gänge nach den hohen Außenfenstern, und in diesen Gemächern sind die literarischen Schätze in Schränken aufgestellt. Die Bibliothek, vom Gründer, dem berühmten Arzte Radcliff, gesammelt und der Universität geschenkt, enthält über 100,000 Bände, alles blos medizinische Werke. – Der Thurm zur äußersten Linken ist der von ALL-SOULS (Aller-Seelen)-College; es ist mit dem der Königin (QUEENS)das schönste Gebäude der alten Musenstadt. Die eigentliche Universitätsbibliothek, die größte und kostbarste der Erde, enthält gegenwärtig über 650,000 Bände und mehr als 40,000 Handschriften. Sie ist in einem von Heinrich VIII. gegründeten äußerst zweckmäßig eingerichteten prachtvollen Gebäude in bewundernswürdiger Ordnung aufgestellt. Das Lokal sieht keinem andern dieser Art ähnlich und versetzt auch im Innern vollständig in eine längst