Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band | |
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Thor führt nach dem ehemaligen Klostergarten (jetzt wieder in einen Blumengarten umgeschaffen), rund umher von andern pittoresken Ruinen des unermeßlichen Gebäudes umgeben; – der ehemaligen Bibliothek mit 200 Fuß langen Hallen, des Justitzgebäudes und des Capitelhauses. Das Gewölbe dieses letztern, 40 Fuß hoch und über 100 Fuß weit, wird, wie der große Saal in Marienburg, von einer einzigen Mittelsäule getragen. Der große Speise- und Bankettsaal der Mönche, gleichfalls bewundernswürdig kühn überwölbt, ist ein herrlicher Raum; 108 Fuß lang, die Hälfte so breit, und an 30 Fuß hoch. Hier praßten die Pfaffen in unglaublicher Schwelgerei und Sittenlosigkeit, wegen welcher die Abtei eben so berüchtigt war, als berühmt wegen ihres Reichthums, ihrer Schönheit und Pracht. In der Kirche sieht man noch den steinernen Sarg, in dem Hotspur Percy begraben lag; andere zahllose Grabmäler, – Bildsäulen streitbarer Aebte in voller Kettenrüstung und von Mönchen in Harnischen, – bedecken die inneren Mauern und Pfeiler der Kirche. Hoch oben am Thurm aber liest man mit gothischen Riesen-Buchstaben eine lateinische Inschrift, die dem Wanderer den hehren Spruch zuruft: Ehre und Preis dem einzigen Gott durch alle Jahrhunderte.
Die ganze Ruine ist mit Epheu und Schlingpflanzen wie mit Vorhängen bedeckt und majestätische Bäume wehen hie und da daraus hervor. Der Waldbach, der in geringer Entfernung von ihr hinrauscht, treibt an ihrem Ende die uralte Klostermühle, welche immer noch im Gebrauch geblieben ist, gleichsam als ein Beleg für die große Wahrheit, daß, während die oft verbrecherische Pracht und Hoheit der Großen vergeht unter den Schlägen des rächenden Schicksals, das nützliche Gemeine sich erhält. – Ungefähr 200 Schritte weiter steht das alte Wohnhaus der Familie der Besitzerin, welches vor 300 Jahren aus Abteitrümmern aufgerichtet wurde: ein großes Gebäude in sonderbarem Styl und höchst malerischen Ansehns. Seine mit verwitterten, hohen Mauern umgebenen Gärten, die in Le Notre’schen Geschmack angelegt und erhalten sind, bewahren noch die Ueberbleibsel ursprünglicher Gartenanlagen der Aebte. Tausendjährige Taxusbäume, die größten und schönsten in der Welt, mit Stämmen von 30 bis 40 Fuß Umfang, zollen da ihre jungen Jahrtriebe noch immer der Scheere des Gärtners, gleichsam zur Strafe ihres unverwandten, ihnen vom Schöpfer eingehauchten Strebens, sich aus jenen unnatürlichen, geschmacklosen Formen zu befreien, welche ihnen die tyrannische Laune längst vergangener Menschen und Zeiten anwieß. So verkrüppeln oft die herrlichsten Völker in den Einrichtungen einer barbarischen Zeit, und ihr fortgesetztes Streben nach Befreiung ist nur eine ewige Verblutung.
Die prachtvolle Fountains-Abtei dankt ihren Untergang, wie die meisten ehemaligen Abteien Englands, der Einziehung der Klöster unter Heinrich VIII., und dem gegen alles Kirchliche wüthenden Vandalismus der damaligen Zeit. Man versteigerte die prachtvollen kupfernen Dächer als altes Metall und zerbrach die herrlichen Thürme und Mauern, um Quadern für einen Cloakenbau zu gewinnen! Die Nachkommen haben an den Ruinen wieder gutzumachen
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1833, Seite 38. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_1._Band_1._Auflage_1833.djvu/48&oldid=- (Version vom 4.6.2024)