Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band | |
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An Bau-Denkmälern der Vorzeit, welche der Gegenwart einen Begriff von der Hoheit, Pracht und Ueppigkeit des Kloster-Lebens geben können, ist vielleicht kein Land in der Welt so reich als England. Hier war der Pfaffen Paradies. Nirgends war die Kirche so begütert, nirgends so mächtig; nirgends auch haben sich so viele großartige Aeußerungen ihrer Prachtliebe in Kloster- und Tempelbauten, theils ganz, theils in Trümmern erhalten, als eben dort. Die alten Palläste und Schlösser der brittischen Könige und ihrer Vasallen sind, obschon für sich betrachtet herrlich und groß, doch nur Hütten verglichen mit den Riesenbauten einiger Abteien, deren Ruinen von ihrer einstigen Pracht und Unermeßlichkeit kommenden Geschlechtern noch zeugen werden.
Die schönsten dieser Ruinen, die schönsten in ganz England, sind die, deren trefflich ausgeführtes Bild das Auge des Lesers schon gefesselt hat. In der Nähe von Ginsborough (im Northriding von Yorkshire) breitet sich über Hügel und Thäler ein stundenlanger Park aus. Studley-Park ist sein Name, jetzt Eigenthum des letzten, bejahrten, weiblichen Sprößlings einer alt-brittischen Aristokratenfamilie. Unfern seines Eingangs gelangt der nach den berühmten Abteiruinen Wallende in einen majestätischen Wald tausendjähriger Eichen, aus dem der Pfad in ein enges, romantisches Thal führt. Schroffe Felswände, mit Immergrün und Epheu überschlungen, oder von hohen Tannen überschattet, berahmen es an der einen Seite, an der andern ein Waldgehäge; seinen Boden deckt das üppige Grün der Wiesen, durchschlängelt von einem rauschenden Bach, der über einige das Thal durchziehende Felsdämme in Kaskaden herabstürzt. Allmählich erweitert sich das Thal, und plötzlich, bei einer Wendung links, treten in der ganzen 1600 Fuß messenden Breite des freundlichen Grundes dem Reisenden die unermeßlichen Abteiruinen vor’s Auge, das Ziel seiner Wanderung. Der Leser wird sich leicht einen Begriff von der riesigen Größe dieser Ruinen machen können, wenn er hört, daß vor 800 Jahren die Gebäude von Fountains-Abtei einen Raum von dreizehn Morgen bedeckten; daß ihre der Gegenwart bewahrten Trümmer noch 5 Morgen einnehmen. Die Kirche allein war fast so groß als die St. Pauls Cathedrale in London und das vollendetste Muster der gothischen Baukunst. Noch steht der größere Theil des Schiffs, – 350 Fuß lang mit über 50 Fuß hohen Fenstern. Der Thurm, zu ⅔ eingestürzt, ragt noch 150 Fuß hoch empor. Aus der Kirche führt ein Thor nach dem doppelten Säulengange des Klosters, (vergl. das Bild), dessen wohlerhaltene Trümmer das Grandioseste sind, was man in dieser Art irgend wo sehen kann. Er ist über 300 Fuß lang, fast 50 Fuß breit und über 15 Ellen hoch. Ein anderes
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1833, Seite 37. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_1._Band_1._Auflage_1833.djvu/47&oldid=- (Version vom 4.6.2024)