Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band | |
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Philadelphia, die Hauptstadt Pennsylvaniens, ist an Pracht, Reichthum und Größe die erste der Union. Die Stadt liegt 2 Stunden über den Zusammenfluß des Schuylkill mit dem Delaware, in der gabelförmigen Ebene, welche diese beiden Ströme bilden. Hundert und zwanzig englische Meilen vom Meere entfernt, hat der Delawarestrom hier doch noch eine Breite von einer halben Stunde, und die für große Seeschiffe bis zu 1200 Tonnen Tracht nöthige beträchtliche Tiefe. Philadelphia genießt dadurch alle Vortheile einer Seestadt. Es wird jährlich von 600 Seeschiffen besucht, und Eisenbahnen und Kanäle strecken sich von hier in allen Richtungen aus und machen Philadelphia, das stets Hauptsitz der transatlantischen Kunst und Gelehrsamkeit war, zugleich zu einer Metropole der Industrie und des Handels. In dieser letzten Beziehung hat nur New-York noch den Vorrang.
Die Gründung der Stadt geschah von William Penn, dem Stifter der Sekte der Quäker, im Jahre 1682, durch die Erbauung von 80 Häusern. Hundert Jahre darauf zählte der Ort 6000 Häuser und 40,000 Bewohner. Die Zahl jener war 1830 auf 30,000, die der Bevölkerung auf 170,000 angewachsen. Jetzt bedeckt Philadelphia mit seinen Vorstädten die ganze Ebene zwischen dem Delaware und Schuylkill, und große Strecken jenseits des letztern Stromes in einer Länge von vier und einer Breite von drei englischen Meilen. Die Gesammtzahl der Wohnungen übersteigt 34,000, die ihrer Bewohner 200,000. Die alte Welt bietet kein Beispiel solchen Gedeihens eines Orts in so kurzem Zeitraum, und auch die neue hat nur ein zweites gleicher Größe an New-York aufzuweisen.
Penn’s herrliche Stadt ist in 300 schnurgeraden Straßen angelegt, welche sich von Norden nach Süden und von Osten nach Westen rechtwinklich durchschneiden. Einige und 50 Hauptstraßen haben jede eine Länge von 2 und 3 Meilen, bei 80 bis 115 Fuß Breite. Alle sind mit 10–16 Fuß breiten erhöheten Trottoirs für die Fußgänger zu beiden Seiten der Häuser versehen, und diese, nach dem Fahrwege zu, mit Bäumen bepflanzt, welche den Wandelnden Schatten und Schutz gegen Regen und Sonne gewähren. Nirgends beleidigt das Auge öffentliche Unsauberkeit, nirgends der Anblick des menschlichen Elends und der Verworfenheit in faullenzenden Bettlern, oder in ekelhaften Kranken und Krüppeln, in flehenden Greisen und Kindern; nirgends auch wird das Gefühl des Mannes durch umherschleichende, lungernde Schergen der Gewalt und buntfarbige Zwingknechte niedergebeugt, oder empört. Bürgerlicher Gemeinsinn und Achtung vor dem Gesetze, das all geachtet wird, weil es von Allen ausgeht, und Allen gerecht wird, – schaffen
Joseph Meyer: Meyer’s Universum, oder Abbildung und Beschreibung des Sehenswerthesten und Merkwürdigsten der Natur und Kunst auf der ganzen Erde. Erster Band. Bibliographisches Institut, Hildburghausen und New York 1833, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meyers_Universum_1._Band_1._Auflage_1833.djvu/191&oldid=- (Version vom 10.6.2024)