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Wir verlassen den Sankt Markus-Platz, um die Kirche zu besehen, die ihm den Namen gab. Nächst der Peterskirche ist sie der berühmteste christliche Tempel der Erde. In ihr sind die Gebeine des Evangelisten Markus bewahrt, die Gegenstände der eifrigsten Verehrung und das Ziel unzähliger Wallfahrer aus allen Theilen der Welt. Erbaut in den Jahren 976–1071, ist sie ein Muster der sonderbarsten Mischung der griechischen und morgenländischen Baukunst. Die herrlichsten Bildwerke des Alterthums (wir nennen nur die berühmten vier antiken, colossalen Pferde, welche, unter einem Bogen über dem Haupteingang, auch auf unserm Bilde sichtbar, aufgestellt sind), zahllose Säulen, Basreliefs etc., sind mit einer gleich großen Menge von Schnitz- und Bildwerken in orientalischem und saracenischem Geschmack aus den kostbarsten Stoffen zur Verzierung und Ausschmückung dieses Tempels verwendet worden. Schon beim Eintritt in denselben begegnet des Staunenden Auge nichts als Gold und Edelsteine, und der Fuß zaudert, den Agath, Lapis lazulis, Jaspis, Porphyr, Calcedon u. s. w. zu berühren, aus denen der Boden, zu seltsamen Formen und Figuren durch die Kunst der Mosaik vereinigt, zusammen gesetzt ist. Die Wände sind überall mit Goldplatten belegt, von denen sich, in Silber und farbigem Golde, Schnitzwerke in allerlei Gestalten, Vögel, Menschen, ganze Landschaften, Blumen aller Art, größtentheils von bewundernswürdiger Zartheit und Kunst, im bunten Wechsel erheben. Die ganze Decke ist Mosaik aus Edelsteinen und dem köstlichsten Marmor. Mitten aus diesem Raume, in bedeutender Höhe, wölben sich fünf Kuppeln, die mittlere größer als alle übrigen, getragen von 36 Säulen aus orientalischem Marmor. Unter diesen Kuppeln stehen fünf Altäre, strahlend von Edelsteinen und Gold, in welchen die Gebeine von Heiligen verschlossen sind. Der in der Mitte, der größte und kostbarste, bewahrt die Ueberreste des Evangelisten in einem Kasten von Gold, ausgelegt mit Rubinen, Saphiren, Smaragden und andern Edelsteinen der kostbarsten Art. Ueber dem Altar erhebt sich, auf Säulen von Parischem Marmor, ein Thronhimmel von Ophir, auf welchem die Geschichte Jesu, nachdem Evangelium St. Marci, in Byzantinischem Geschmack und halb erhobner Arbeit, höchst kunstvoll dargestellt ist. Hinter diesem Altar stehen 4 Säulen aus ächtem Orientalischen Alabaster, weiß wie Schnee und fast wie Glas so durchsichtig. Ausgegraben vor fast einem Jahrtausend in den Ruinen Jerusalems, schmückten sie einst, so erzählt der fromme Glaube, das Heiligste des Salomonischen Tempels.

Wir brechen ab. Wollten wir die Herrlichkeiten, welche dieses Haus für die Verehrung des Höchsten in sich schließt, alle beschreiben, so bedürfte es dazu eines ganzen Buches. Ohnehin haben wir der Beschreibung dieses Bildes mehr Raum gewidmet, als im Plan dieses Werkes liegt; der Reichthum des Stoffes möge uns bei dem Leser entschuldigen.