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das Leben von dem Tode und ewiger Erstarrung scheidet; aber sie kommen ihr nahe genug, um die Vegetation der Schweizer Gebirge in allen ihren Abstufungen, von der bei Genua an bis zu der an den äußersten Marken der Gletscher, auch auf ihnen wiederfinden zu lassen. In den geschütztesten, südlichsten Thälern prangen die Pflanzenfürsten der Tropen, die hohe Palme und die majestätische Aloe mit ihrer oft dreißig Fuß hohen Blumenpyramide. Pomeranzen- und Zitronen-Haine und alle Kinder der italienischen Flora bedecken die Abhänge und in den schon höhern Thälern grünen Oliven und der rankende Weinstock. Noch höher hinauf wechseln Obstpflanzungen mit Getraidefeldern ab und die höchsten Berggipfel bekleidet die Natur mit den dunkelgrünen, dichten Matten der kurzen Alpgräser und der bunten Stickerei der Alpröschen und Anemonen.

In diesem herrlichen Gebirgslande ist es der südwestlichste Theil, jener, welcher sich der Mündung des Tajo zuneigt, der in unsere Betrachtung fällt. Die Nähe von Lissabon macht ihn zum Lieblingsaufenthalt der portugiesischen Großen und Reichen, die sich, gemeinschaftlich mit den Dienern der Kirche, in dieses Paradies getheilt haben. Schlösser und Parks des Königs, der Prinzen und Vornehmen, Landhäuser und prachtvelle Klöster bedecken die Cintra (so heißt dieser Theil des Berglandes) in weitem Halbkreise um die Hauptstadt.

Cintra, jenes auf unserm schönen Bilde am Fuße grotesker Alphörner hingestreckte Städtchen, liegt 5 Stunden von Lissabon, inmitten der bewunderten Landschaft, die, in seiner Nähe, die reizendsten und berühmtesten Parthien darbietet. Die Villa des Patriarchen von Lissabon, die Quinta Marialva, und die von Pensa verde, (Sommerwohnung des englischen Gesandten) auch die eines reichen Englanders, Lord’s Beckford, – die Quinta Monserrat genannt, – sämmtlich mit den großartigsten sich weit in’s Gebirge erstreckenden Parks, in welchen die herrlichsten Naturscenen, rauschende Bergwasser, Caskaden, Felsenlabyrinthe abwechseln, sind die besuchtesten Punkte. Da dieses Gebirgsamphitheater gegen das Meer hin sich öffnet, so beherrscht es von tausend und aber tausend Punkten die unermeßlichste Aussicht auf den spiegelnden, wallenden Ozean, den Fischerbarken, Küstenfahrer und große Seeschiffe, welche dem Tajo und der Hauptstadt zueilen, unausgesetzt beleben. Unfern von Cintra ist auch noch das berühmte Korkkloster, das in dem schauerlichsten Theil des Gebirges, unfern von dem, hier über 1000 Fuß hohen, Bord des Meers in einen ungeheuern Granitkoloß ausgehölt ist, eines der erstaunungswürdigsten Werke des ausdauernden Menschenfleißes und der Menschennarrheit. Es enthält eine Kirche, Refektorium, 15 Mönchszellen und mehre Vorrathsgewölbe. Wegen der Feuchtigkeit in diesen Felsenwohnungen sind sämmtliche Gemächer mit dicken Korkplatten bekleidet. Daher der Name.

Seit der Invasion der Franzosen waren diese traurigen Aufenthaltsorte fauler, sich kasteiender Fanatiker nur zur Hälfte bewohnt, und ein kürzliches Dekret des Regenten von Portugal hat sie vollends geschlossen. Werden sie sich nie wieder öffnen? Wird es Don Pedro mit der Regeneration Portugals gelingen? Daß dem so wäre! Aber