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rieth. – Wir erinnern uns, wie dann das herrliche Venedig wie eine schlechte Waare aus einer Hand in die andere ging; wie um dasselbe gefeilscht wurde von dem und jenem fremden Fürsten; wie man es verkaufte und wieder erhandelte und seine Nobili’s, deren Vorfahren sich Königen gleich geachtet, binnen achtzehn Jahren willig und ohne nur zu murren drei fremden Fürsten nach einander den Unterthaneneid schworen! Und wenn man, voll dieser Erinnerungen, dann dieses Venedig betrachtet mit seinen modernden Pallästen, wo einst Crösusse wohnten, und jetzt oft die Armuth haus’t in Schmuz und Elend; – die weite, dem Meere entstiegene, verfallende und doch noch so über Alles prachtvolle Stadt mit ihrem Gewimmel von Domen und Kuppeln und Thürmen, Säulen und Zinnen, mit ihren 500 Kanälen und Brücken, während schon ganze Straßen menschenleer geworden, und viele Meerarme, die oft sonst die Schiffe nicht alle fassen konnten, verschlämmt und nur noch von einsamen Gondeln durchschnitten: so erscheint uns das neue Carthago, das in seiner Blüthe ¼ Million Einwohner faßte, und jetzt kaum 90,000 noch zählt, wie ein ungeheures Grabmal, und wir erinnern uns der Worte Byrons:

     Noch sieht Sankt Markus seinen stolzen Leu,
Wo sonst er stand, ein Spott und Hohn jetzt! – stehen.
Hoch über des Pallastes ehern Thor,
An dem einst Fürsten oft demüthig harrten,
Und dessen Pracht die Kön’ge neideten,
Der Republik nicht mehr gefürchtet Zeichen,
Ha! wo der Deutsche bat – da stampfet jetzt
Der Deutsche; und des Herrschers Fuß
Tritt jetzt den Nacken vor deß Haupt in Staub
Ein Kaiser lag. – So wechseln die Geschicke. –
Berühmte Reiche schrumpfen zu Provinzen
Und Nationen schmelzen vom Zenith
Der Macht im Sonnenschein des Glückes bald; –
Und donnernd dann, Lavinen gleich in Alpen.
Im Sturze unaufhaltsam, wälzen sie
Sich in das Thal der Schmach und des Verderbens.


Das Bild vor uns führt den Betrachtenden in die Mitte Venedigs – auf den herrlichen Sankt Markus-Platz (PIAZZA DI SAN MARCO). Das große Viereck, welches er bildet, umschließen die merkwürdigsten und schönsten Werke der Baukunst. Gerade vor uns sehen wir die prächtige Kirche des heiligen Markus, mit ihren Domen und Kuppeln,