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Mahomed II. für immer ein Ende gemacht wurde. Sein letzter Beherrscher, Kaiser Johann, starb, nachdem er sich zum verzweifelten Todeskampf durch den Genuß des heiligen Abendmahls in der Sophienkirche gestärkt hatte, mit 10,000 Streitern in der heldenmüthigsten Vertheidigung auf den Mauern der Hauptstadt, eines alten Römers würdig.

Ueber die erstürmte Stadt aber ergingen alle Schrecken barbarischer Feindeswuth. Mahomed hatte zur Ermunterung seiner Krieger diesen die Plünderung verheißen. Durstend nach Blut und nach Beute stürzten die Türken über die wehrlosen Bürger. Weder Geschlecht, noch Alter, noch Stand wurde geschont. Ueberall floß das Blut, große Schaaren der Einwohner schleppte man fort in ferne Sklaverei, alles bewegliche Gut wurde zerstört oder geraubt, unermeßliche Schätze kamen in der Siegtrunkenen Hand.

Am dritten Tage endlich des allgemeinen Mordens und Verwüstens vertobte der Sturm, und es hielt Mahomed, der Verderber, eine eiserne Keule in der Faust, in der blutgebadeten Cäsarenstadt feierlichen Einzug. Doch als er in den herrlichen Kaiserpallast trat und dessen Verödung sah durch Brand und Mord, da drang in sein Gemüth die ernste Betrachtung des Schicksals, das über die menschlichen Dinge waltet. Gnade sprach er aus über das was die Flammen oder das Schwerdt seiner Horden übrig gelassen, und die Stadt Constantin’s erklärte er zum ewigen Herrschersitz der Sultane, Istambol fortan geheißen. –

Dieses bedeckt mit seinen 80,000 Häusern die ganze Area des alten Constantinopels; aber an Schönheit und an Einwohnerzahl ist es ihm nicht zu vergleichen. Auf dem Schutt der breiten Römerstraßen, der Amphitheater, der Tempel, der Bäder, erbauten die Türken in widerlicher Unregelmäßigkeit die engen Gassen von schlechten Lehmhütten, aus welchen zuweilen ein Pallast, oder eine Moschee, oder eine herrliche Bautrümmer des Alterthums hervorragen. Seine amphitheatralische Lage, auf beiden Seiten eines vom Meer umflossenen, 2 Stunden langen, nach dem Lande zu breiter werdenden Hügels, gibt ihm in der Ferne ein imposantes Ansehn, schöner als das irgend einer Stadt in der Welt; aber im Innern herrscht Schmutz und Armseligkeit. Die Stadt selbst hat, ohne die Vorstädte, 2½ deutsche Meilen im Umfange; mit den Vorstädten etwa 24 Stunden. Die Zahl der Einwohner war während der Türkenherrschaft nie über 700,000; sie beträgt jetzt unter ½ Million. Ungefähr die Hälfte sind Türken; 150,000 griechische, 30,000 armenische Christen, über 60,000 Juden. Die Befestigung von Constantinopel besteht gegen die Landseite hin aus Gräben und einer doppelten Mauer mit 500 Thürmen besetzt; zur Abhaltung einer regelmäßigen Belagerung ist sie aber nicht geeignet. An der Westseite der Stadt, an der Einfahrt aus dem Marmormeer, erhebt sich ein Castell noch innerhalb der Ringmauer; es ist das Schloß der sieben Thürme. Gegenüber auf der asiatischen Seite, am Westende von Scutari, liegt ein ähnliches, und zwischen beiden, mitten im Bosporus, ein drittes – der Thurm des Leander. Den Hafen bildet ein, etwa eine Viertelstunde breiter und 2 Stunden langer Arm des Bosporus, welcher sich zwischen zwei Hügeln hinschiebt, von welchen der links