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der Achtung vor dem Gesetze und seinen Vollstreckern, des Lebens und Eigenthums der Bürger, der Ehre und Sicherheit des Reichs, kein stehendes Heer; die ganze Union, ein Staat doch größer als Frankreich, Deutschland, Oestreich, Spanien, Italien, Großbritannien, Dänemark, Schweden und die Türkei zusammen genommen, hält kaum 6000 Mann Soldaten, und diese dienen nur zur Bewachung der Marine-Depots und Forts an den Küsten und zur Besatzung der Militär-Stationen an den Grenzen der Indianer-Gebiete, um die Einfälle der Wilden zu verhüten. Aber für den Fall der Noth ist jeder amerikanische Bürger vom 16. bis zum 60. Jahre Soldat; jeder hat, als Milizpflichtiger, einen Dienstgrad; jeder muß bewaffnet seyn. Für die Artillerie und das Geniewesen sind auch auf Staatskosten vortreffliche, großartige Anstalten zur Ausbildung tüchtiger Officiere vorhanden. Die ganze West- und Ostküste wird überdieß seit 3 Jahren nach dem umfassendsten Plane, der jemals zur Vertheidigung eines Reichs erdacht worden, auf allen schwächern Punkten befestigt und die Marine, – eingerichtet zur Abwehr und zum Schutze des Handels – ist die trefflichste der Erde. Und daß durch solche Militäreinrichtung des Staats, welche das System der Conscription entbehrlich macht, die wenig kostet und den Händen der exekutiven Gewalt das gefährlichste Werkzeug zur Unterdrückung der Freiheit, ein stehendes Söldnerheer, für immer fern hält, für alle Zwecke des Staats hinlänglich gesorgt ist, hat sich durch eine 50jährige Erfahrung und in vielen Kriegen erprobt. Jeder bisherige feindliche Angriff endigte mit der Niederlage der Angreifer. Was hätte auch ein Volk, das zwei Millionen bewaffneter, von der Liebe zur Freiheit begeisterter, nur von einer Idee, Erhaltung dieser Freiheit, beseelter Bürger in’s Feld schicken kann, jemals von einer fremden Macht zu fürchten? Angriffs- und Eroberungskriege aber, wie sie Blut und Vermögen so vieler weniger glücklichen Völker seit Jahrhunderten vergeudet haben, durch welche viele arm und elend geworden, kann eine verständige, das Recht auch in ihren Verhältnissen mit andern Völkern gewissenhaft ehrende Nation, wie die der nordamerikanischen Freistaaten, niemals beginnen. –

Weniger noch als die fremden sind die einheimischen Versuche zum Umsturze der bestehenden, Alle beglückenden Staatseinrichtungen im nordamerik. Bürgerreiche zu fürchten. Versuche dazu zu machen, das ist allerdings in einem Lande leicht, wo die freieste Gedanken- und Meinungsäußerung über alle Themata der Politik und des Staats Jedem ein unantastbares Recht ist; ein Recht, so unbestritten, als das Recht zu athmen. Aenderungs- oder Neuerungssucht in allen Nüançen und Gestalten hat im Lande der Freiheit offenes Feld, sie kann sich versuchen an wem und an was sie nur mag, für ihre Projekte und Vorschläge Anhänger und Vertheidiger werben, wie es ihr gut dünkt. Alles das ist gesetzlich und erlaubt. Auch übt man dort sein gutes Recht nach Herzenslust und Angriffe auf Constitution, Regierung und Beamte, von Einzelnen, wie von Vereinen, sind an der Tagesordnung. Aber was in andern Staaten für gefährlich gelten mag, ist es in Nordamerika keineswegs. Wo, wie in diesem Staate, das ganze Regierungssystem auf wirkliche Rechtsgleichheit Aller, auf dem ewigen Felsen der Vernunft und des natürlichen Rechts gebaut ist, wo, wie dorten, vernünftige Begriffe über Zweck und Wesen des Staats so tiefe und weitgreifende