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die schönsten Gemälde und Statuen der größten Meister Griechenlands. Von diesem Wunderwerke (dessen Ueberreste unser treffliches Bild auf das Treueste vergegenwärtigt), stehen jetzt noch 16 Säulen aufrecht; Trümmer anderer Bruchstücke von Capitälern und Verzierungen liegen umher; einzelne Fußgestelle, mit Gras und rankigem Gestrüpp überwachsen, sind noch sichtbar; aber von den zahllosen Bildwerken, die ihn schmückten, ist keine Spur mehr vorhanden. – Besser erhalten ist der Tempel des Theseus – an dem in neuester Zeit die Baukunst in Wien und München sich in Nachbildungen versucht hat. – Vom herrlichen Pantheon, dem allen Göttern geheiligten großen Tempel, ist fast nichts mehr übrig; eine Copie desselben ist das Pantheon zu Rom. –

Wir kehren zurück zu dem Versuche der gedrängtesten Darstellung der Lebensschicksale des Volks, das so Herrliches geschaffen; wenige Züge werden für unsern Zweck genügen.

Die Perserkriege hatten, wie wir gesehen, Athen auf den Gipfel der politischen Größe erhoben und zum Besitz unermeßlicher Reichthümer gebracht. Sein Einfluß gebot in ganz Attika, sein Glanz stellte die übrigen griechischen Freistaaten in Schatten; selbst der Spartaner Ruhm wurde durch den Athens überstrahlt. Alles dieß erregte den Neid der übrigen Stämme eines Volks auf, das mit dem erhöhten Gefühl der Kraft auch unbändigere Leidenschaften bekommen hatte. Collisionen der Interessen entstanden, und als allmählich unter dem Einfluß des durch den Reichthum geschaffenen Luxus die republikanischen Tugenden der Selbstverleugnung und reinen Vaterlandsliebe mehr und mehr verdrängt wurden, führte, in den Verhältnissen der Freistaaten zu einander, eine von der Selbstsucht geleitete gemeine Politik die Zügel. Intriken entspannen sich, Spaltungen entstanden, die Furie der Zwietracht entzündete endlich die Fackel, welche in dem Lande der Solone, Miltiades, Leonidas und Aristides einer fast ununterbrochenen Reihe innerer Kriege leuchtete, in welchen das Herzblut der Griechen, das Mark ihrer Kräfte bis zur Erschöpfung dahin strömte, und die ihren Untergang vorbereiteten. Mit diesem, dem großen Peloponnesischen Kriege, in welchem Athen und Sparta um das Primat Griechenlands stritten, beginnt die dritte und letzte Epoche der Geschichte Athens als Staat; sie wird durch die Eroberung und Zerstörung von Korinth durch die Römer (146 Jahre vor Chr.) von welcher Zeit an ganz Hellas bis zur Auflösung des Reichs durch die Barbaren als römische Provinz erscheint, geschlossen.

Jener Krieg demüthigte Athen, und erhob Sparta auf den Platz, den es eingenommen. Dagegen mußte sich bei des Kampfgeschickes Wechsel Sparta unter Thebens große Männer beugen. Entkräftung war bereits in allen Freistaaten fühlbar geworden, als im Norden, in Macedonien, unter Philipps Zepter, sich ein erobernder Staat bildet, der seine Ausdehnung im schönen Hellas suchte. Die Schlacht von Chäronea (338 v. Chr.) gab ihm die Oberherrschaft über ganz Griechenland. Vergebens waren die Versuche der Hellenen, sich nach Philipps Tode wieder frei zu machen. Sie scheiterten an der Klippe des innern Zwiespalts, und der mächtige Genius des jungen