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Bestimmung ist eine doppelte: erstens bei grossen musikalischen Aufführungen zur Aufstellung des Chors und Orchesters zu dienen, und zweitens bei Festlichkeiten und Bällen einen bequemen Zuschauerraum für diejenigen zu bilden, welche das Festgewühl lieber zu betrachten, als sich darin zu verlieren vorziehen. Eine besondere Zierde des Saales ist die kunst- und geschmackvolle Balken- und Bogen-Konstruktion der Decke. Die grossen Fenster enthalten in eingebrannten Farben das deutsche Reichswappen und das Stadtwappen von Köln, beide doppelt, ferner die Wappen der während der Erbauungszeit des Gürzenich regierenden Bürgermeister, die Wappen der 22 Zünfte und der Herzogthümer Jülich, Cleve und Berg und der Grafschaft Mark. Ausser den Seitenfenstern bringen vier in der Decke angebrachte Oberlichter dem Saal bei Tage Erhellung. Die prachtvolle abendliche Erleuchtung geschieht durch acht von der Decke herabhängende, vergoldete Kronleuchter, jeder mit 60 Flammen, sechs kleinere mit je 12 Flammen, achtunddreissig Armleuchter mit je 6 Flammen und vierzig einfache Wandleuchter mit nur einem Brenner, so dass die Gesammtzahl der Gasflammen sich auf 820 beläuft. Ueber 1000 antike eichene Stühle mit Strohgeflecht wurden für den Saal angeschafft.

     In naher Aussicht steht dem Saal der Besitz eines Wandschmucks mit Gemälden, welche die Erinnerung an den prachtvollen historischen Festzug bewahren sollen, der gelegentlich der Vollendungsfeier des Kölner Doms im Oktober 1880 veranstaltet worden.

     Die Veränderung nach aussen besteht hauptsächlich darin, dass das alte zweikappige Dach durch ein ungetheiltes, freilich sich recht plump gestaltendes neues ersetzt wurde. Auch traten die stark verwitterten alten Heldenbilder des Agrippa und Marsilius von der östlichen Giebelwand ab, um durch neue Repräsentanten nach den Modellen des Bildhauers Chr. Mohr ersetzt zu werden. Durch die stilistische Vereinigung des alten und neuen Bauwerks aber hat das Ganze an grossartigem Ansehen wesentlich gewonnen.

     Seit der Vollendung des Neu- und Umbaus sind die winterlichen Gesellschafts-Konzerte, welche viele Jahre im grossen Kasino-Saal[1] stattgefunden hatten, in den grossen Gürzenich-Saal verlegt


  1. Vordem, bis um 1830, hatten sie in dem grossen Saal des jetzigen Hôtel du Dome (Dom-Hotel) auf dem Domhof bestanden. Man nannte sie [67] ursprünglich Familien-Konzerte, weil sie von einer Anzahl ausgewählter kunstliebender Familien in engerm Abschluss ausgegangen waren.
Empfohlene Zitierweise:
Johann Jakob Merlo: Haus Gürzenich zu Köln, sein Saal und dessen Feste. Selbstverlag des Verfassers, Köln 1885, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Merlo_-_Haus_G%C3%BCrzenich_zu_K%C3%B6ln_-_66.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)