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thun, und solches zwar daher, weil er durch unsere Predigten und täglichen Umgang in seinem Hertzen überzeuget würde, daß wir es auffrichtig mit ihren Seelen meyneten.

Was sonsten ihnen zu vernehmen erfreulich seyn würde, können wir anietzo bey grossen Zeit Mangel nicht alles vermelden. Indessen sehen sie schon hieraus, daß GOtt warhafftig mit uns ist, und durch uns ein kleines Feuer oder Licht seiner Erkäntniß zufoderst unter denen hin und her zerstreueten Christen suchet anzuzünden, und was wünschten wir lieber, als daß es schon brennete. Über dieses sind wir auch täglich durch die Wunder GOttes im Meer erfreuet worden. Die vielen und mancherley Fische haben uns offte manche Ergötzung gemacht. Zum öfftern schien es, als wenn sie sich alle zusammen im Meer versammlet hätten, und wolten mit grosser Macht unser Schiff stürmen. Manche giengen sehr prächtig einher, mit vielen andern kleinen Fischen begleitet. Von solcher Art, welche Hayen genennet werden, haben wir sehr viele gefangen. Einige sind über 6. Ellen lang, haben im Munde, welcher unter dem Bauche ist, 6. reihen Zähne; Ihr Haut ist als ein Finger dick und ihr Gehirn ist gut zur Artzeney. Ihre Stärcke übertrifft vieler Männer-Stärcke, und sind mit ihren Geleits-Männern im Wasser sehr lustig anzusehen, werden auch nicht eher von jenen verlassen, biß sie mit grossen Seilen ins Schiff gezogen werden. Fliegende Fische haben wir in der Wärme alle Tage in grosser Menge um uns hergehabt. Die andere Arten sind nicht alle zu erzehlen. Vor der Lienie kam ein so genanter See-Teuffel um uns, und ging den gantzen Tag um unser Schiff herum, wir konten ihn aber nicht fangen. Er hatte grosse Hörner, ist so dick als er lang, und siehet gantz abscheulich aus. Vögel haben wir gleichfals mancherley Arten gesehen etc. Bey lieblichen Wetter satzten wir uns oben auf dem Schiff, und liessen unser Gemüth durch Anschauung der schönen Situation des Himmels und des Meeres erfreuet werden, und nahmen dadurch Gelegenheit von jener zukünfftigen Herrlichkeit zu reden, und uns solcher Gestalt in der Hoffnung dessen zu ergötzen. Sonsten aber hatten wir gantz alleine unser sonderbahres Gemach auff dem Schiffe, das zu unsern studiis[1] und exercitio pietatis[2] sehr gelegen war.

In Summa[3], wir können GOtt nicht genug dancken für das Gute, welches er uns auff dieser sonst gefährlichen Reise, so wol am Leibe, als sonderlich an der Seelen erwiesen hat: und schreiben eben dieses in Demuth des Hertzens darum denen lieben Freunden, daß sie zum Lobe GOttes mit uns sollen auffgewecket werden, und alle diejenigen, die uns kennen, und es auffrichtig mit ihrem GOtt meinen, an uns ein Exempel[4] haben sollen, wie herrlich, weißlich[5] und heilsam er die Seinigen zu führen pflege, wenn man sich nur in Verläugnung seiner selbsten ihm und seinem Willen gantz übergiebet.

[Aufenthalt am Kap der Guten Hoffnung]

In diesem Orte meinten wir unter den Christen Seelen anzutreffen, die einen Hunger und Durst nach dem Worte GOttes haben würden, indem die allermeisten teutsche Lutheraner, doch ohne Prediger sind: Aber wir haben noch zur Zeit unter ihnen nur ein Politisches Staats-Christenthum angetroffen, das von dem rechtschaffenen Wesen in Christo wenig wissen will. Ein jeder meinet, er könne GOtt hier nicht so dienen, als in seinem Vaterlande. Aus diesem principio[6] versparen sie die Ausübung


  1. Studien
  2. wörtlich „Übung (Training) der Frömmigkeit“, also Gebet, Andacht, Bibelstudium
  3. Zusammenfassung
  4. Beispiel, Vorbild
  5. weise
  6. lat.: Grundsatz, Prinzip, Grund
Empfohlene Zitierweise:
Bartholomäus Ziegenbalg, Heinrich Plütscho: Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien. Joh. Christoph Papen, Leipzig, Frankfurt am Main, Berlin 1708, Seite 6. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Merckw%C3%BCrdige_Nachricht_aus_Ost-Indien_06.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)