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Hertzen in Liebe zu uns wenden. Den 30. Nov fuhren wir von dannen ab, und kamen folgendes Tages (an welchem ein Botsmann vom Mastbaum auf den Kopff stürtzete, und sich jämmerlich, zu unserm grossen Schrecken, zu tode fiel, gleich wie denn auch des andern Tages ein Matros ins Meer fiele, aber noch bey den Haaren ergriffen und gerettet wurde) des Abends nach Helsingoehr. Wegen contrairen Windes brachen wir von hier erst den 4. Decembr. auf, und kamen den 6. Decemb. unter stürmischen Wetter in einen Schwedischen Hafen, nahe bey Gottenburg gelegen, um und um mit lustigen Felsen umgeben. Daselbsten musten wir in Ermangelung guten Windes 8. Tage stille liegen. Den 14. Dec. stiessen wir von dannen ab, und kamen folgendes Tages in die Nord-See; Allwo wir beyde anfiengen ein wenig kranck zu werden; wurden aber durch GOttes Hülffe bald wieder davon befreyet. Der Tag war nunmehro allhier sehr kurtz und die Kälte sehr starck. Den 16. liessen wir Norwegen auf der rechten, und den 19. Hitland nebst andern kleinen Insuln (gegen welche ein Knabe, so an den Blattern gestorben war, von unserm Schiff, nach gehaltenem Leichen-Sermon, ins Meer als sein Grab gesencket wurde,) auf der lincken Hand liegen. Den 22 schiffeten wir die Orcadischen Insuln vorbey. Nachdem liessen wir Engeland und Irrland auf der lincken Hand liegen. Den 27. kamen wir in die Spanische See, welche uns mit ihren stolzen Wellen sehr prächtig aufnahm. Das Schiff schiene, als wann es zwischen zweyen mächtigen Bergen in einem tieffen Thal hindurch gienge. Das Anschauen der grossen Wunder GOttes machte uns allhier sehr freudig. Und je hefftiger offt das Stürmen der Winde und das Brausen des Meeres war; je grösser vermehrte sich das Lob GOttes und die Freude in uns, in Ansehung, daß wir einen solchen mächtigen und gewaltigen GOtt zu unsern Vater haben, dem wir dienen, und zu welchem wir uns täglich und stündlich als seine Kinder im Gebet nahen dürfften.

Den 1. Jan. 1706. begegneten uns 2 aus America kommende und nach Engeland gehende Schiffe, welche wir erstlich für Frantzösische Capers hielten. Dahero wurden alle Stücke geladen, die Segel loß gemacht, und warteten, biß sie an uns kämen. Jene aber, als sie solches sahen, hielten sie uns für verdächtig, und wolte also keiner der auf beyden Seiten herausgesteckten Fahnen trauen; biß sie endlich einen zu uns schickten zu vermelden, wer sie wären, und zu vernehmen, von wannen wir kämen. Darauff schieden wir unter Lösung etlicher Stücken von einander. Hier segelten wir gemeiniglich in Tag und Nacht etliche 40. biß 50. Meilen, und kamen endlich den 6. Jan. die Azorischen Eylande vorbey, welche wir auf der rechten Hand liegen liessen. Den[1] 9. erreicheten wir die Gegend von Africa; alwo es wiederum begunte ein wenig warm zu werden. Von dar schifften wir die Türckische Barbarey vorbey, und stunden immer in Gefahr, wegen der dasigen See-Räuber: GOtt aber ließ uns von ihnen bewahret werden, und glücklich die Canarischen Insuln erreichen.

Den 15. Jan. segelten wir unter dem Tropico Cancri[2] hinweg in Zonam torridam, und bekahmen nunmehro grosse Hitze, welche offte Blitz und starck Donner-Wetter verursachte. Den 19 Jan. kamen wir zu denen Souds-Eyländern. Den 22.[3] liessen wir Capo Verde auf der lincken Hand liegen, Allhier hatten wir immer biß zu der Linie sehr schwachen Wind; Die Wärme aber wurde so groß, daß offt das


  1. korrigiert: im Druck Deu
  2. „Wendekreis des Krebses“, der „nördliche Wendekreis“, damals ungefähr 23° 28' nördlicher Breite
  3. unleserlich
Empfohlene Zitierweise:
Bartholomäus Ziegenbalg, Heinrich Plütscho: Merckwürdige Nachricht aus Ost-Indien. Joh. Christoph Papen, Leipzig, Frankfurt am Main, Berlin 1708, Seite 3. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Merckw%C3%BCrdige_Nachricht_aus_Ost-Indien_03.jpg&oldid=- (Version vom 20.11.2023)