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der Bauern wegen Besitzes des heiligen Evangeliums in ukrainischer Sprache nach Sibirien, dem Verbot, Kirchen in ukrainischem Stile zu bauen usw., entsprach das Bestreben, Rußland nach Außen als brüderliche Einheit darzustellen; Tausende von bezahlten gelehrten Schriften bewiesen auf alle möglichen und unmöglichen Arten, daß ein ukrainisches Volk nie existierte, nicht existiert, und nie existieren wird.

Die Folge davon war, daß aus den Schulbüchern der ganzen Welt, in erster Reihe selbstverständlich Rußlands, die Geschichte des ukrainischen Volkes, ja sein Name verschwand!

II.

Aber alle diese Bestrebungen konnten unser lebensfähiges Volk nicht vernichten. Dieses lebte ein staatliches Kulturleben schon damals, als Moskau sich noch im Stadium der nomadisierenden Horden befand. Im neunten Jahrhundert war der alte Kyjiwer Staat bereits konsolidiert, und im zehnten Jahrhundert nahmen seine Bürger das Christentum an.

Aber dagegen könnte man mir vielleicht einwenden, daß dies eben die Begründung des russischen Staates, nicht des ukrainischen gewesen ist. Die offizielle russische Geschichtsschreibung des achtzehnten und neunzehnten Jahrhunderts hat diese falsche Theorie aufgestellt und in einer sehr geschickten Weise in ganz Europa verbreitet.

Es ist hier nicht der Ort, auf diese Fachstreitigkeiten einzugehen.

Ich möchte hier nur ganz kurz die grundlegenden Richtlinien der Geschichte der Ukraine andeuten, dieses Landes, welches unser Volk ohne Unterbrechung durch mehr wie eintausend Jahre bewohnt.

Der ukrainische Staat war bereits konsolidiert, als das westliche Europa infolge der großen Völkerwanderung erst kaum wieder zur Ruhe

Empfohlene Zitierweise:
Menschen- und Völkerleben 1 (1916), Heft 6/7. Langguth, Esslingen am Neckar 1916, Seite 112. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Menschen-_und_Voelkerleben_1916_Heft_6-7.pdf/6&oldid=- (Version vom 25.2.2024)