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hinlänglich bekunden, wohin ihr Volk sich hinwenden möchte, wenn es frei in seinen Entschlüssen wäre, – dann kommt man zum Verständnis der politischen Bedeutung der Ukraine.

Wäre es für die Ententemächte möglich, die Pläne der Aushungerung Deutschlands zu vollbringen, wenn die Reichtümer der Ukraine den Zentralmächten in dem gegenwärtigen Krieg zugute kämen? Könnten die Ententemächte in jenem Falle an einen Krieg überhaupt gedacht haben, welcher von ihnen entfesselt wurde, nur weil sie zuversichtlich darauf rechneten, daß die absolute Uebermacht auf ihrer Seite sei? Nein! Ohne den Besitz der Ukrain[e] und der Reichtümer dieses Landes und ohne Zugang zum Schwarzen Meere müßte für die Entente eine solche Uebermacht als ausgeschlossen gelten!

Wenn wir all das bedenken, wird es uns nicht als ein wunderliches und böses Märchen anmuten, daß die Deutschen bis zum Kriegsausbruch keine Ahnung von diesem Problem hatten; daß fast niemand von den deutschen Gelehrten auf die Idee kam, sich in das Studium des Problems zu vertiefen?

Der moskowitische Staat trachtete, die speziellen Umstände ausnützend, in welchen sich die Entwicklung der slawischen Völker abspielte, nicht bloß, alle Aeußerungen des nationalen Lebens der unterdrückten Völker planmäßig hintanzuhalten, unter Anwendung der europäisch organisierten Armee und Polizei, sondern auch unsere alten Kulturerrungenschaften systematisch zu vernichten.

Die Ukrainer wurden nicht nur ihrer politischen Freiheit, der selbständigen Nationalkirche und Schule beraubt, sondern auch ihrer Muttersprache, selbst ihres hergebrachten Namens, – sie wurden in Kleinrussen umgetauft, um auf diese Weise zu betonen, daß sie doch als Angehörige

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Menschen- und Völkerleben 1 (1916), Heft 6/7. Langguth, Esslingen am Neckar 1916, Seite 110. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Menschen-_und_Voelkerleben_1916_Heft_6-7.pdf/4&oldid=- (Version vom 25.2.2024)