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überwinden, aber so trostlos wie vor einem Jahr ist es nicht. Die ersten schwachen Strahlen der Friedenssonne beginnen den Horizont zu erhellen. Es ist zu hoffen, daß die Sonne höher steigt und daß es nicht mehr lange währt bis zu den Tagen des sicheren und dauernden Friedens, daß die Menschheit wieder aufatmen kann nach dem fürchterlichen Alpdruck dieses Krieges.

Die Vereinigten Staaten in und nach dem Kriege. Die Vereinigten Staaten wollen sich den Markt der Vierverbandsländer nicht sperren lassen. Das ist angesichts ihrer kolossalen Ausfuhr nur allzu verständlich. Der Ausfuhrüberschuß ist von 1913 bis 1915 von 800 auf 1 700 Millionen Dollar oder 7,5 Milliarden Mark gestiegen. Durch diese gewaltige Verbesserung der Zahlungsbilanz, die durch die Einschränkung des Reiseverkehrs, die Verschlechterung der europäischen Währungen, die Verringerung der von den Auswanderern nach Hause gesandten Ersparnisse noch gefördert wurde, sind die Vereinigten Staaten zu einer Schuldentilgung in gewaltigstem Maßstabe befähigt, wie sie die Welt noch nicht gesehen hat. Aus dem kolonialen Schuldnerland wird ein starker, ausdehnungslustiger, mit Kapital übersättigter Staat, dessen Reichtum mehr noch im Verhältnis zum verarmenden Europa als absolut wächst.

Der Prozeß der Umwandlung der Vereinigten Staaten aus einem Schuldner- in einen Gläubige[r]staat ist noch nicht abgeschlossen, wurden doch die amerikanischen Verpflichtungen an Europa vor dem Kriege auf nicht weniger als sechs Milliarden Dollar geschätzt. In der Politik bedingt die Entschuldung der Vereinigten Staaten, die Verschuldung Europas einen fundamentalen Wandel der Stellung und Beziehungen aller Kolonialländer, Kanadas sowohl wie Argentiniens.

Die amerikanische Ausfuhr besteht zum überwiegenden Teil aus Metallen, Petroleum, Getreide, Vieh und Fleisch. Darum ist die Kriegskonjunktur in den Vereinigten Staaten allgemein, darum ist ihre Volkswirtschaft gesund, darum gewinnen nicht nur wenige Trustmagnaten, sondern auch die Farmer. Die Vereinigten Staaten sind ein Land mit sehr starkem bäuerlichen Einschlag. Geht es den Bauern gut, so dem ganzen Land. Die für die amerikanische Wirtschaft so wichtigen Eisenbahnen verdienen wenig an der Verfrachtung von Munition und viel an der der Ernte; der Stahltrust weist nicht wegen Panzerplattenlieferungen fabelhafte Rekorderträge aus, sondern weil die allgemein glänzende Konjunktur zur Erneuerung alten Materials und Erweiterungen mächtig anregt.

Daraus folgt, daß der wirtschaftliche Aufschwung der Vereinigten Staaten nicht kurzlebig sein wird, daß er zwar eine Folge des Krieges ist, aber mit dem Kriege nicht

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Menschen- und Völkerleben 1 (1916), Heft 6/7. Langguth, Esslingen am Neckar 1916, Seite 144. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Menschen-_und_Voelkerleben_1916_Heft_6-7.pdf/38&oldid=- (Version vom 25.2.2024)