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in Spiritus ist doch an sich nichts so Ungewöhnliches. In jeder Anatomie wird man derartiges aufbewahren, in Polizeimuseen kann man sie antreffen und – in anderer Art der Konservierung zu Dutzenden auf Borneo und den Inseln Melanesiens bei den Herren Kopfjägern – in geräuchertem Zustand als vielbegehrte Trophäen. Immerhin – hier bereitete mir dieser Kopf eines blondhaarigen Jünglings doch ein wenig Unbehagen, zumal es das Haupt eines Weißen war und die fahlen Züge und die toten offenen Augen im unruhigen Feuerschein schreckhafte Beweglichkeit annahmen. Ich stellte das Glas in die Kiste zurück. Dadurch, daß ich es lange betrachtete, wurde ich um nichts klüger, und die Kiste enthielt nichts, was mir Aufschluß über die Herkunft dieses anatomischen Präparats gegeben hätte. Dann die zweite …

Jetzt wurde mir doch recht eigentümlich zumute.

Verehrter Zeitgenosse, verehrter Landsmann, der du vielleicht mal diese meine Erinnerungen in die Finger bekommst: In diesem zweiten Einmacheglase lag ein Mädchenkopf! Und ich garantiere dir, du würdest durch diesen Anblick erloschener blonder Jugend, durch diese in dem Spiritus hin und her wallenden Haare genau so aus dem seelischen Gleichgewicht geraten sein wie ich!

Es war der Kopf eines halben Kindes, eines Backfisches mit feinen Zügen, deren Ähnlichkeit mit denen des Männerhauptes sofort ins Auge fiel … Geschwister, dachte ich. Und dann stellte ich auch diesem Glas schleunigst in die Kiste zurück und trank meine Feldflasche leer. Es war immerhin

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Max Schraut: Mein Freund Coy. Verlag moderner Lektüre G.m.b.H., Berlin 1929, Seite 45. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Mein_Freund_Coy.pdf/45&oldid=- (Version vom 1.8.2018)