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Streich spielen; jetzt laß Du mich nur machen.“ Und sogleich nahm der Wirth Papier und Feder und Tinte, und machte ganz genau die Handschrift des Grafen nach und schrieb an die Gräfin: „daß sie den Bedienten, sobald er heimkomme, mit ihrer Tochter verheirathen solle.“

Das Ding schien dem Bedienten zwar gefährlich; allein da ihm der Graf doch einmal nach dem Leben trachte, so wolle er ihm auch erst einen rechten Anlaß geben und sich, wenn es angehen möchte, mit seiner Tochter verheirathen, meinte er; und wie er so an die junge Gräfin dachte, wurde er plötzlich wieder so vergnügt, daß er am andern Morgen ganz früh aufbrach, um so bald als möglich zu ihr zu kommen.

Nachdem er den Brief abgegeben, that die Gräfin sogleich, wie ihr Mann es befohlen; denn sie wußte, er war ein strenger Herr und konnte keine Widerrede leiden, sonst hätte sie ihm gar zu gern Vorstellungen darüber gemacht, daß sie doch ihre einzige Tochter nicht einem Bedienten zur Frau geben dürfe. Die Tochter aber war ganz wohl damit zufrieden, und so wurde sie richtig mit dem Bedienten ihres Vaters verheirathet.

Als der Graf nun nach einiger Zeit zurückkam und erfuhr, was seine Frau angerichtet, da hätte er vor Aerger und Zorn sich alle Haare ausreißen mögen und würde gewiß seine Frau umgebracht oder fortgejagt haben, wenn die Schrift nicht so treu nachgeahmt gewesen wäre, daß er gestehen mußte: „die Buchstaben sind so verdammt ähnlich, daß ich selbst den Brief hätte für echt halten können.“ – Nun

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 274. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_274.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)