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57. Drei Rosen auf Einem Stiel.

Es war einmal ein Mann, der hatte zwei Töchter, die konnten sich nicht gut mit einander vertragen; daran war aber besonders die Eine Schuld. – Eines Tages wollte der Vater auf den Markt gehen und fragte die Töchter: „was soll ich Euch mitbringen?“ Da wünschte sich die eine ein schönes Kleid, die andre, welche die bravste war, drei Rosen auf Einem Stiel. „Wenn ich die nur bekommen kann,“ sagte der Vater und gieng fort und kaufte auf dem Markte ein neues Kleid; aber so viel er sich auch unterwegs und nachher auf dem Markte nach Rosen umsah, so konnte er doch keine gewahr werden.

Endlich, als er schon wieder auf dem Heimwege war, sah er in einem Garten einen blühenden Rosenstrauch, und da waren auch gerade drei Rosen auf Einem Stiel beisammen, wie es die Tochter sich gewünscht hatte. Da stieg er in den Garten und brach sich die Rosen ab. Aber mit einem Male stand da ein schwarzes, haariges Ungeheuer und sagte: „was machst Du da in meinem Garten?“ Der Mann erzählte nun, daß er eine Tochter habe, die sich drei Rosen auf Einem Stiel gewünscht habe, und bat, daß er diese Rosen, die er schon so lange gesucht, mitnehmen dürfe. Da sagte das Thier: „ja, Du darfst sie mitnehmen, mußt aber dafür Morgen um die und die Stunde mit deiner Tochter hieherkommen, sonst wirst Du sterben.“ Da versprach der Mann, daß er wiederkommen wollte, und gieng mit seiner Rose heim und führte am andern Tage die Tochter her;

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 202. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_202.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)