Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 173.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

machte sie es später mit der zweiten Tochter. Ihrem Sohne aber sagte sie, daß seine eigene Frau die beiden kleinen Kinder umgebracht habe. Da ward der Mann sehr zornig und so lieb er früher seine Frau auch gehabt hatte, so bös ward er jetzt auf sie und befahl, daß sie zur Strafe in ihrem Zimmer verbrannt werden sollte. – Darauf wurde sie eingeschloßen und der große Ofen ganz glühend gemacht, und als die Frau die Hitze nicht mehr ertragen konnte, fiel es ihr ein, daß sie noch einen Wunsch habe, und wünschte sich sogleich ihre Pathin, die Waßerfrau herbei. Die war auch im Augenblick da und half ihr, machte es kühl und öffnete das Zimmer und sagte: „Deine beiden Töchter, welche die Schwiegermutter in den See geworfen hat, habe ich gerettet und aufgezogen. Ich will sie noch heute nebst einem geschriebenen Zettel an’s Ufer stellen; von dort mußt Du sie abholen; dann wird Alles gut gehen.“ Und so geschah es denn auch. Als nun die beiden Töchter, die beide wunderschön waren, in das Schloß zu ihrem Vater kamen und dieser aus allen Zeichen genau erkannte, daß dieß wirklich seine eigenen Kinder waren und daß seine übermüthige Mutter sie hatte umbringen wollen, da herzte und küßte er sie vielmals vor Freude, und bat seine Gemahlin mit Thränen um Verzeihung. Die böse alte Gräfin aber mußte nun die Strafe leiden, die sie der Frau ihres Sohnes hatte bereiten wollen, und darauf lebte die junge Gräfin mit ihrem Manne und ihren Kindern immer in Frieden und Freude und Jedermann hatte sie gern; besonders gut aber hatten es die

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 173. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_173.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)