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43. Eschenfidle.

Es war einmal eine Mutter, die hatte zwei Töchter, von denen mochte sie die eine viel lieber als die andere. Die eine bekam die schönsten Kleider und durfte spazieren gehen, so oft sie wollte, und alle Gesellschaften und Tänze besuchen, weil die Mutter meinte, daß ihre Lieblingstochter auf die Art recht bald einen vornehmen Bräutigam finden werde. Die andre Tochter aber mußte immer zu Haus bleiben und die niedrigste Arbeit im Kuhstall, in der Küche und im Garten verrichten, und bekam außerdem so schlechte Kleider, daß sie sich vor fremden Leuten gar nicht sehen laßen konnte. Weil sie aber von der Hausarbeit beständig staubig und schmutzig aussah, und oftmals, wenn sie sich ausruhen wollte, auf den Aschenheerd in der Küche sich setzen mußte, so nannte man sie zu Haus nur das „Eschenfidle.“ – Was dem armen Mädchen aber am wehesten that, das war, daß die Mutter ihm auch verboten hatte, in die Kirche zu gehen und ihm deshalb keine Sonntagskleider geben wollte.

Da setzte sich Eschenfidle eines Sonntags in den Garten unter einen Baum und weinte bitterlich, weil es gar niemals in die Kirche kommen konnte. Da trat ein kleines weißes Männlein zu ihm her und fragte: „was weinst Du?“ Als nun Eschenfidle dem weißen Männlein seinen Kummer geklagt hatte, da sprach es zu ihm: „sei nur still! wenn Du des Sonntags in die Kirche gehen willst, so komm nur immer zu diesem Baum und sprich:

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Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 154. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_154.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)