Seite:Meier Volksmärchen aus Schwaben 087.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Herz, daß er dachte: „ach, wenn du jetzt doch nur deinen Schatz in den Arm nehmen und recht küssen und drücken könntest!“ Und wie er’s dachte, so machte er’s auch, schlich sich an’s Fenster, wo das hübsche Mädchen schlief, klopfte an und wurde eingelaßen, und plauderte und scherzte nun mit ihr bis zum hellen Morgen. Als er jetzt endlich zu seinem Kohlenhaufen zurückkam, da war alles verbrannt und verdorben und ein großer Aschenhaufen geworden.

Das fiel ihm schwer auf’s Herz, und er fürchtete, daß der Vater dießmal seine Drohung ausführen und ihn schlagen möchte, so lang er sich rühren und regen könnte, wie er gesagt hatte. Deshalb machte er sich schnell auf und davon, und floh in den Wald immer tiefer hinein und wußte gar nicht, wo er hinkam; denn er fand weder Weg noch Steg, noch irgend einen Menschen, den er hätte fragen können. Als endlich der Hunger sich bei ihm einstellte, suchte er auch vergeblich nach Speise und mußte sich mit Waßer und Wurzeln und mit der Rinde von jungen Bäumen begnügen. Das dauerte wohl einige Tage lang, indem er beständig in dem Walde umherirrte und sich sagen mußte, daß er selbst an seinem Elend Schuld sei.

Zu derselben Zeit geschah es, daß der Sohn des Vice-Königs von Böhmen in jenem Walde jagte; denn er hatte sich daselbst ein Schloß bauen laßen, und das hatte er aus zweierlei Ursachen gethan: erstens, weil er ein großer Freund der Jagd war; zweitens, weil er sich mit seiner Schwester nicht vertragen konnte und deshalb an seines Vaters Hof nicht länger bleiben mochte. – Wie der Prinz nun den

Empfohlene Zitierweise:
Ernst Meier: Deutsche Volksmärchen aus Schwaben. Scheitlin, Stuttgart 1852, Seite 87. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Meier_Volksm%C3%A4rchen_aus_Schwaben_087.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)