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er mich will umbringen lassen? Bin ich ihm nicht immer gehorsam gewesen, und ihm mit Liebe und Ehrfurcht entgegen gekommen?“

„Ich kenne Euch nicht anders,“ erwiederte der Hauptmann, „als eine gute, folgsame und liebevolle Tochter, und wenn es auf mich ankäme, so sollte Euch nichts Leides geschehen; aber dem Befehl Eures Vaters darf ich nicht entgegen handeln – Ihr müßt sterben!“ Bei diesen Worten sank die Prinzessinn ohnmächtig zur Erde. Der Hauptmann aber, der lieber sein eigenes Leben verlieren wollte, als einen so grausamen Befehl auszuführen, entfernte sich in der größten Eile, und überbrachte dem Könige die Zunge und das Herz eines geschlachteten Thieres, ohne daß dieser den Betrug gemerkt hätte.

Als die Prinzessinn aus ihrer Ohnmacht erwachte, sah sie sich ganz allein im Walde, und beschloß sogleich, sich so weit wie möglich von dem Schlosse ihres Vaters zu entfernen, und sich seinen Nachforschungen zu entziehen.

Sie eilte mit starken Schritten durch den Wald; aber der Wald war groß, die Sonne glühte, und Furcht und Müdigkeit hatten sie so ergriffen, daß sie nicht weiter konnte. Sie sah sich allenthalben um, aber nirgends entdeckte sie einen Ausgang; der Wald ward immer dichter, und die Angst der Prinzessinn stieg immer höher.

Endlich hörte sie das Blöken eines Schaafes. „Dem Himmel sey gedankt,“ sagte sie, „ganz gewiß weidet ein Schäfer in der Nähe, der mir den Weg nach dem nächsten Dorfe zeigen kann.“

In dieser frohen Hoffnung nahm sie alle ihre Kräfte zusammen, und kam auch bald an die Stelle, wo sie das Schaaf hatte blöken hören. Aber wie groß war ihr Erstaunen, als sie sich mit einem Male auf einer geräumigen Wiese fand, welche rund herum mit Bäumen umgeben war,