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ein vierter mit zerschmettertem Beine werden abgeladen und ins Lazarett befördert. Keiner klagt, alle tragen geduldig ihr Los.

Im Lazarett liegen sie in langen Reihen nebeneinander, Deutsche und auch einige Franzosen. Da ist ein junger, blonder Rheinländer mit zerschmettertem Unterschenkel. Über seinem Kopfe hängt am Verwundeten-Täfelchen das Eiserne Kreuz. Der Hauptmann, der mich auf meinem Gange begleitet und der diese Kriegsauszeichnung ebenfalls trägt, reicht dem Braven die Hand, fragt ihn nach seinem Befinden und erkundigt sich, wie und wo er sich das Kreuz geholt. Wie ein stolzes Leuchten geht es über das Gesicht des Mannes. Er hat das Kreuz, das er sich auf einer Erkundungspatrouille erworben, nur vier Tage lang getragen, dann wurde er niedergestreckt und kam ins Lazarett. Wieder an die Front zu kommen, ist sein ganzes Sinnen und Sehnen.

Schreckhafte Erscheinungen traten mir in einem Typhuslazarett einer Garnisonstadt vor die Augen. Die verzerrten Gesichter, die entgeisterten Augen der im Fieberwahn verwirrten Schwerkranken — das waren unendlich traurige Bilder. Einer, der das Eiserne Kreuz hatte, behauptete im Fieberwahne fortwährend, vierzehn Eiserne Kreuze zu besitzen und verlangte, die dreizehn anderen in Berlin zu holen.

Der Typhus ist im deutschen Heere nicht etwa im Schützengraben entstanden und verbreitet worden, vielmehr sind die Ansteckungsherde in den

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Karl Müller: Kriegsbriefe eines neutralen Offiziers. Velhagen & Klasing, Bielefeld ; Leipzig 1915, Seite 178. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%BCllerKriegsbriefe.pdf/182&oldid=- (Version vom 1.8.2018)