Seite:Märchen (Montzheimer) 152.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Nein, das war doch zu toll. Erschreckt ob des ungelegenen Beobachters schloß er den Hahn so flüchtig, daß er noch tüchtig tropfte, und herrschte den Kleinen an: „Was erfrechst du dich, kleiner Kobold, du bist wohl einer Schaubude entlaufen und willst gar hier stehlen? Pack’ dich, sonst werd’ ich den Meister rufen.“

Das Männlein kicherte boshaft, machte dem Konrad eine lange Nase und rief enteilend:

„Wer ein Heinzelmännchen kränkt,
Daran bald mit Reue denkt.“

„Ein Heinzelmännchen bist du?“ lallte Konrad erschrocken, indem er dem Männlein nachsprang; doch dieses war schon verschwunden; er glaubte es noch die Kellertreppe hinaufspringen zu sehen.

Mit rotem Kopf, zwei vollen und einem leeren Kruge stolperte Konrad wieder ins Wohngemach, wo Meister Anselm ihn befremdet anblickte. „Kommst ja, wie kürzlich der Wendelin, mit einem leeren Kruge?“ forschte der Goldschmied. „Hab’ ihn verschüttet, derweilen ich stolperte,“ log Konrad.

Als der Rausch verflogen war, glaubte er dem Meister gegenüber sich in ein besseres Licht setzen zu müssen, und bat darum, noch bis Mitternacht in der Werkstatt arbeiten zu dürfen.

Wendelin hatte mit Schrecken bemerkt, daß sein Mitgesell noch arbeitete, als er um Mitternacht zum Keller eilte; da galt es doppelt vorsichtig sein!

Doch der andere spitzte die Ohren, weil er ein leises Knarren auf der Treppe zu hören glaubte.

Hastig riß er die Tür der Werkstatt auf, um eben noch den um die Ecke verschwindenden Wendelin zu erspähen. Neugierig und schadenfroh zugleich folgte er dem Enteilenden ohne Besinnen und sah, wie dieser im Keller verschwand.

Empfohlene Zitierweise:
Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipzig: Leipziger Graphische Werke AG, 1927, Seite 152. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_152.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)