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Immo legte die Wurzel ins Gras, machte, wie des Vaters Anweisung es heischte, drei Sprünge und rief dann mit gedämpfter Stimme:

„O Springmännchen, erscheine,
Und künde mir sofort:
Ob klug ist, was ich meine?
Erschein’ an diesem Ort!“

Da bewegte sich plötzlich etwas im Grase, und aus demselben hüpfte ein kaum schuhhohes Männlein, das eigentümlich anzusehen war: Ein Bart aus feinen Wurzelfasern wallte fast bis zu den Füßen, die in winzigen Schnabelschuhen steckten, während aus dem braunen Antlitz zwei kohlschwarze Augen den Jüngling nicht unfreundlich, aber ernst anblickten. Mit den wurzelartigen Händen fuchtelte der Kleine in der Luft herum, machte drei Sprünge, bis er dicht vor Immo stand, und sprach dann vernehmlich:

„Laß den Bruder dein
Kämpfen jetzt allein,
Denn für dich ist’s noch nicht Zeit!“

Als der erstaunte Immo sich einigermaßen gefaßt hatte, antwortete er: „Aber wie dürfte ich denn meinen Bruder in der Gefahr allein lassen? O, Springmännlein[1], dein Rat scheint mit herzlos.“

Da antwortete der Kleine:

„Später, später richt’,
Was der Springmann spricht!
Will bewahren dich vor Leid!“

„Darf ich denn meinen Bruder nicht warnen? Darf ich ihm nicht suchen helfen, daß er das Zauberschwert finde?“

Das Männlein schüttelte sein Haupt, sprang wieder ein paarmal herum und hub abermals an:


  1. Vorlage: Spingmännlein
Empfohlene Zitierweise:
Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 92. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_092.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)