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Ernst sprach der König: „Ich ahnte es, mein Sohn, daß du so wählen würdest, doch bedenke wohl, daß du mein Geschenk nicht zur Ueppigkeit und Eitelkeit mißbrauchen sollst. Auch verachte niemals einen guten und weisen Rat und verlaß dich nicht allein auf dein Schwert. Oft im Leben wird die Gewalt durch kluge Erwägung besiegt.“

Dann wandte sich der König zu Immo: „Und nun, mein Jüngster, nimm die Gabe, die dein Bruder verschmähte; möge sie dir Segen bringen.“

Immo ergriff die Wurzel. Dann ein Knie vor seinem Vater beugend, sprach er:

„Ich danke dir, mein Vater. Mein Bruder erriet wohl, daß diese Gabe mir die willkommenste sein würde! Ich will sie zu deiner Freude gebrauchen. Ich begehre nur, als einfacher Knappe gekleidet hinauszuziehen. Eitler Prunk lockt leicht Räuber an. Ein gutes Schwert und mein treues Rößlein seien meine Begleiter.“

Den König freute diese Gesinnung seines jüngsten Sohnes. Er prägte beiden sorgfältig ein, wie sie die Zaubergaben zu gebrauchen hätten, die ein jeder von ihnen dann gut verbarg.

Als am nächsten Morgen die Sonne aufging, nahmen sie Abschied von ihrem Vater sowie von den Getreuen und verließen das Schloß.

Gegen Abend erreichten sie ein Gehölz, durch das sie hindurchritten, hoffend, alsdann ein Wirtshaus zu erreichen, in dem sie übernachten konnten.

Doch nichts war rings zu erblicken, nur immer wieder neuer Wald.

Da hörten sie ein ängstliches Flattern in einem Baum. Immo bemerkte ein Vögelchen, das sich an einer Leimrute gefangen hatte. Mit großer Vorsicht befreite er das Tierchen, das sich nun auf seine Schulter setzte und in sein Ohr zwitscherte:

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Elsbeth Montzheimer: Märchen. Leipziger Graphische Werke AG, Leipzig 1927, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:M%C3%A4rchen_(Montzheimer)_084.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)