1650 hat es sich begeben, daß zwei Bootsleute auf der See uneins geworden, also daß sie mit Messern an einander kamen. Der eine aber wird so verwundet, daß er bald hernach stirbt; und ist über Bord geworfen. Wie nun das Schiff nach Lübeck kömmt, und die Mutter ihren Sohn nicht findet, auch nicht recht erfahren kann, was mit ihm geworden, wird sie sehr traurig und weinet Tag und Nacht. Endlich tritt bei nachtschlafender Zeit die Gestalt des Sohnes vor ihr Bette und spricht: „Mutter, Ihr seid bekümmert, wo ich geblieben; so wisset denn, daß ich mit dem und dem an dem Orte auf der See mit Messern zusammengerathen und danach gestorben und in die See gesenket bin; da liege ich noch.“ Da wird ihr sehr grauen; doch tröstet der Geist sie allezeit zur Nacht, und berichtet seinen Zustand. Endlich will sie den Thäter bei den Herren angeben und klagen; da verbietet dieß der Geist, weil er sich vertragen und dem andern vor seinem Ende vergeben. Da wird die Mutter dreist und will den Sohn bei den Armen fassen und halten; aber es ist nichts anders wie scharfes Salzwasser, welches ihr die Hand ganz roh macht, so daß die Haut davon gegangen.
Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 379. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/385&oldid=- (Version vom 1.8.2018)