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195. Der Staupenschlag.

Um 1600 war ein Rathsherr aus altem Geschlecht zu Lübeck, welcher einen einigen Sohn hatte. Nun diente im Hause eine wackere Dirne, von guten Leuten, die in ihrer Nahrung zurückgekommen; weil sie aber schieren Angesichts und fröhlichen Wuchses auch feines Verstandes und Herzens gewesen, hat sie der Sohn in Liebe begehrt, und mit Vorgeben, daß er sie zur Ehe nehmen wolle, oft angesprochen und gänzlich überredet. Nun wußte er wohl, daß sein Vater keinesweges darein willigen würde, als der ein gar stolzer und strenger Herr war; weil aber die Dirne in höchster Noth, hat er seinem Vater alles entdeckt, und seinen Rath begehrt. Dieser ließ im Zorn das Mädchen alsbald fortschaffen und schickte den Sohn gen Antwerpen; da sie aber unlängst hernach ein Knäblein zur Welt geboren, hat er das Kind in sichern Verwahrsam gegeben und die Mutter mit höchster Verwarnung aus der Stadt gewiesen und ins Elend gehen heißen.

Nach einigen Jahren nun, da der Sohn sich zu Antwerpen sein eignes Brot erworben, schreibt er dem Mädchen einen Brief und fordert, daß sie samt dem Kinde zu ihm komme; sendet ihr auch Geld und Kleidung und begehrt sie zur Ehe. Da geht sie nun zu dem gestrengen Herrn und verlangt ihr Kind; zeigt ihm auch an,

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Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 364. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/370&oldid=- (Version vom 1.8.2018)