Anno 1440 hat sich nicht weit von Lübeck im Dorfe Qualen ein großes Unglück zugetragen. Ein reicher Bauersmann hielt Brautlacht, und hatte viele Frauen und Jungfern mit einer ehrlichen Gesellschaft aus der Stadt dazu geladen. Wie man aber gar zu großes Feuer im Schornstein angemacht, haben die Flammen das Strohdach erreicht und angezündet. Dessen aber ist drinnen niemand gewahr geworden, weil es schon spät auf den Abend war, und Jedermann sich lustig und fröhlich machte.
Indem nun die Gäste ihre Kurzweil mit dem langen Bauerntanz und sonst mit Singen und Springen ohne Arg trieben, siehe, da fiel das Dach, das jetzt lichterloh brannte, herunter. Davon entstand ein solcher Dampf und Qualm, daß Keiner zur Thür kommen konnte, und indem der Eine hie, der Andere da einen Ausgang suchte, hinderten sie sich selbst und stürzten über einander. Dadurch wurden sie vom Feuer und Rauch ohn Unterschied verdorben, und haben ihrer 180 an Männern, Frauen, Jungfern, Gesellen, Alten und Kindern das Leben jämmerlich lassen müssen. Bräutigam und Braut allein sind mit großer Noth aus der Kammer durch ein enges Fenster ungekleidet entronnen.
Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 207. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/213&oldid=- (Version vom 1.8.2018)