1402 kam Einer nach Lübeck, Wilhelm genannt; der hieß sich einen Apostel, und weissagte, zumal von der Verbesserung der Kirche. Er ging barfuß einher, in langem, weißem Kleide, mit bloßem Kopf und langem weißem Bart. Die Frauen zog er durch seine Heiligkeit an, und predigte ihnen Buße. Nun war unter den Mönchen zur Burg ein Ketzermeister, der hieß Eyler, und wußte sich hoher Dinge. Der forderte den Wilhelm vor, und erkannte in ihm einen Ketzer, und verbot ihm das Predigen. Als er keinen Gehorsam fand, wandte er sich an Einen Rath und klagte, daß Wilhelm mit den Weibern zusammenkomme und eine Katze anbete, die mit glühenden Augen aus- und einginge. Ein Rath ließ darauf den Apostel durch den Frohn vorladen, und da wies ihm Eyler seine Ketzerei vor allem Volk nach, und ließ ihm Sack und Asche und ein Kreuz umthun; zu dem solle er täglich so und so viel beten. Kaum aber war der Apostel im Verließ, da warf er das Kreuz von sich und trat es mit Füßen. Das erfuhr der Ketzermeister und ließ ihn hinausbringen auf den Tornei vorm Burgthor, predigte über ihn und übergab ihn allen Teufeln. Dann band er ihn an einen Pfahl und verbrannte ihn mit Feuer. Die Asche ward in die Trave gestreut.
Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 181. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/187&oldid=- (Version vom 1.8.2018)