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merkt sie sich, und wie das Ding den andern Tag aus ist, macht sie sich alsbald unsichtbar und folgt ihm nach. Da gewahrt sie denn zu ihrem Erstaunen, wie es auf dem Markt durch die Läden und Litte und Stände und Bänke der Verkäufer geht, und die fettsten Bissen wegnimmt und in einen großen Sack schiebt. Danach geht es um den Kaak und wendet sich nach Hause zu; indem aber erblickt es die Frau; die vergißt sich vor Schreck und sagt: „Güd’n dach, mîn lêve Herr!“ Sogleich spricht er zornmüthig: „Wat? du kannst mî sên?“ pustet sie dreimal hastig an; und sie wird stockblind.

Da sie nun dennoch unsichtbar gewesen, ist es ihr übel ergangen. Noch jahrelang hat man sie in der Gegend des Schrangens nach der „zweiten Buddel“ jammern hören, nämlich nach der, welche sie wieder sichtbar machen sollen; und noch lange nachher sind Schinken, Eier, Würste, Pimskäse, Bröte und Butterviertel aus den Körben der Leute verschwunden; welches denn ohne Zweifel die unsichtbare Blinde gethan.


So wohnte auch oben in der Marlitzgrube im Keller eine ehrbare alte Wittwe; die hatte beim Essenkochen keine Ruhe noch Friede vor den Dingern. Zuweilen fanden sich derselben 10, oder 20 oder 30 und mehr bei ihr ein, in kleine blaue Röckchen und dreieckige Hüte gekleidet,

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Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 175. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/181&oldid=- (Version vom 1.8.2018)