Um diese Zeit hat im Kolk eine Wartefrau eine Wöchnerin ausgepflegt und ihr das letzte Warmbier gekocht. Da sie nun allein gewesen, tritt unter dem Feuerheerd ein Unnerêrscher hervor und macht ihr den Vorschlag, seine Frau gegen ein gutes Geld auch aus den Wochen zu pflegen. Sie ergreift ihr Bündel und geht mit in den Keller, wo sie immer tiefer hinabsteigen, bis sie endlich in ein Krystallhaus kommen, wo alles von Gold und Silber und Edelgestein funkelt. Die Wöchnerin liegt in einem goldnen Bett, und hat ein Ding mit außerordentlich dickem Kopf zur Welt gebracht. Der Vater des Dings aber spricht zur Wartefrau: sie könne schalten und walten wie sie möge; nur zwei Flaschen, welche auf der Fensterbank stünden, dürfe sie nicht berühren; oder es würde ihr schlimm bekommen. Damit geht er fort, erscheint aber nach einigen Stunden plötzlich wieder im Zimmer mit Speisen aller Art reichlich versehen, wovon sie herrlich und in Freuden leben. – Nach einiger Zeit wird die Wartefrau so neugierig, daß sie dem Dinge aufpaßt; und siehe: wenn es aus der einen Flasche auf der Fensterbank getrunken, wird es alsbald unsichtbar; wenn aus der andern, ist es wieder sichtbar geworden. Das
Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 174. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/180&oldid=- (Version vom 1.8.2018)