Als Lübeck tagtäglich zunahm, litt die Stadt Bardowiek, welche Herzog Heinrich dem Löwen gehörte, dadurch, daß alle Kaufleute hieher zogen. Da fand der Herzog es billig, daß Graf Adolf ihm die neue Stadt abtrete, um den Handel Deutschlands nach den mitternächtigen Reichen desto besser fördern zu können. Aber der Graf schlug es ab, und bat, ihm sein von Gott verliehenes Glück nicht zu mißgönnen. Darauf verlegte der Herzog die Lübschen Straßen und verbot den Handel dahin. Wie aber das Sprüchwort sagt, daß ein Unglück das andere auf dem Rücken trägt: so brannte Lübeck eines Tages gänzlich ab. Nun gingen die Kaufleute, die noch immer gehofft, daß der Herzog seinen Sinn ändern werde, zu ihm, und sprachen: „Bisher, durchlauchtiger Fürst, haben wir den merklichen Abbruch unserer Handtierung heimlich bei uns getragen und geduldet. Daß wir gleichwohl nicht von hinnen gezogen, daran hat uns unser Haushalt und Weib und Kind gehindert. Nun aber das Feuer all das Unsrige verzehrt und verheert, wollen wir freiwillig wegziehn; gieb und deßwegen, wenn’s Dir so gefällig, Raum und Platz, wo wir von neuem baun und unsern freien Handel sowohl zu Verbesserung der Stadt als auch Deiner fürstlichen Gnaden Zölle treiben mögen.“ Der Herzog ließ sich bedünken, daß sie Recht hätten, und
Ernst Deecke: Lübische Geschichten und Sagen. Carl Boldemann, Lübeck 1852, Seite 12. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Luebische_Geschichten_und_Sagen.djvu/18&oldid=- (Version vom 1.8.2018)