Seite:Ludwig Bechstein - Thüringer Sagenbuch - Zweiter Band.pdf/212

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
343.
Der weiße Leiter.

In der Nähe des Kirchenfelsens ist öfter eine Gestalt, schneeweiß gekleidet und auf einem rabenschwarzen Pferde sitzend, gesehen worden. Es soll der Geist eines vornehmen Mannes sein, der dort erschlagen wurde. Der Kirchenfels selbst ist der mächtigste Steinkoloß des Schwarzathales und an seinem Fuße braust die Schwarza über das steinerne Wehr, und formt in ihrem dunkeln Bette wunderliche Felsgebilde.




344.
Die Teufelstreppe.

Vor langer, langer Zeit wohnte im Schwarzathale ein Fischer in einem kleinen mit Stroh gedeckten Hause. Seine Frau, die Tochter des Thurmwarts auf Greifenstein, war eben ihres ersten Söhnleins genesen, deshalb eilte der erfreute Vater in die Stadt, um den Erstgebornen zur Taufe zu melden und dann auf die Burg, um seinen Schwiegervater zu Gevatter zu bitten. Als er das Schwarzathal wieder betrat, brauste darin ein gewaltiger Sturm, daß die Tannen sich tief zur Erde beugten und die Felsen zitterten; die Schwarza aber wogte und schäumte, daß der Mann kaum den Steg zu überschreiten wagte, der an’s jenseitige Ufer zu seiner Hütte führte. Davor stand seine Frau, die Hände ringend und wehklagend, und deutete nach dem Flusse. Da sprang der Teufel, der schon oft im Thale getobt hatte, so eben mit einem riesigen Schritte über den Fluß, und in seinen Krallen hielt er – den wimmernden Säugling. Die Mutter war neben der Wiege

Empfohlene Zitierweise:
Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 210. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/212&oldid=- (Version vom 1.8.2018)