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sehen.“ Das sind eben die Rupprechtsjungfrauen. Dem Reissigen-Stein gegenüber ging ein Frauchen mit einem Schlüsselbunde um, das ließ sich immer in der Mittagsstunde sehen, und schrie wehklagend: Drei Viertel für ein Pfund! Drei Quärtchen für eine Kanne! Es war eine Handelsfrau, aus Mehlis oder Benshausen, die beim Leben stets ihre Kunden um ¼ des Gewichts oder Gemäßes betrogen hatte. –

In der Nähe, hinterm reissenden Stein, liegt der Häselberg, in welchen ein Amtmann verwünscht ist, der in dortiger Gegend als Feuermann umgehen und spuken muß, weil er ein Unterthanenschinder war. Auch ein Schloß voller Lichter hat man droben auf dem Häselberge brennen sehen. Im Gröhles bei Benshausen (von Gekröhle, Geheul) rollen auch Feuerklumpen, und erschrecken die Wanderer.




161.
Fahrsamengewinnung.

Auf dem Wege von Birnau nach Benshausen ist ein Fleck, darauf spukt ein Jägergeist, weil er, da er noch lebte, dort Fahrsamen gewann, d. i. den unsichtbarmachenden Samen des Farnkrautes, dessen Besitzer ungesehen hinfahren kann, wohin er will. Er trat zur Sonnenwendezeit in der Mittagsstunde auf eine Waldblöße, breitete ein weißes Tuch aus, auf das er sich stellte, und schoß gegen die Sonne. Da fielen drei Tropfen Blutes herab, die mußte er auffangen und wol bewahren, das war der Fahrsamen, dessen Gewinnung den Jäger freilich dem Teufel weihte. Der Jäger kannte seinen Todestag, sagte

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Zweiter Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Zweiter_Band.pdf/20&oldid=- (Version vom 1.8.2018)