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mit Juden war in früherer Zeit das Städtlein wohlversehen, wovon noch der „Judengarten“ zeugt. Kleinstädtisches Gebahren einerseits und der Nachbarschaft stets wache Spott- und Neckelust erhob auch Wasungen zu einer deutschen Lalen- und Schildbürgerstadt, und trug nicht nur alle bekannten und im Volksbuche gesammelten Lalenstreiche auf seine Bewohner über, sondern ersann auch neue, die zwar nicht gern gehört werden, indeß muß sich Wasungen mit dem ebenfalls meiningenschen Städtchen Ummerstadt, mit dem pfälzischen Bensheim und Zwingenberg, dem westfälischen Beckum, mit Schöppenstädt, Polkwitz, Anweiler, Triefels, Weilheim, Bopfingen, Ganslos und so vielen andern Städtlein und Orten trösten, denen es nun einmal ihre Nachbarn nicht besser machen. Vor mehr als hundert Jahren schrieb schon ein hennebergischer Geschichtsforscher das Folgende wörtlich nieder, als er Wasungens gedachte: „Im übrigen ist niemanden leicht im Hennebergischen unbewußt, daß allerhand possierliche Schwänke und Histörigen von denen Bürgern zu Wasungen erzählt werden, welche eine ziemliche Verwandtschaft mit denen in Meißen berühmten Schildbürgers-Geschichten haben.“ Nun, die Wasunger sind es nicht allein, welche die Eselseier des lächerlichen ausbrüten, es wird auch an höher gelegenen Orten bisweilen vieles des lächerlichen und dummen ausgeheckt. So ertheilte ein Hutreceß vom Jahre 1578 die Erlaubniß, daß der Wasunger Ziegenhirte mit seinen Ziegen „zur Winterszeit den Schloßberg und die Hunnenburg betreiben dürfe.“ Welches Futter die armen Ziegen zur Winterszeit an diesen ohnehin kahlen Berggeländen abweiden sollten, verschwieg die hochweise Verordnung. Daß einstmals die Wasunger einen galgenreifen Gauner nicht an ihren Galgen

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Ludwig Bechstein: Thüringer Sagenbuch. Erster Band. C. A. Hartlebens Verlags-Expedition, Wien und Leipzig 1858, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Ludwig_Bechstein_-_Th%C3%BCringer_Sagenbuch_-_Erster_Band.pdf/91&oldid=- (Version vom 1.8.2018)